Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
Eichenfass ausgebaut«, konstatierte Hipp und nahm erst jetzt einen Schluck. »Kein Bricco dell’Uccellone von Bologna*«, fuhr er mit seiner Kommentierung fort, »aber durchaus gelungen, sehr geschmeidig.«
»Danke. Ja, es handelt sich um einen Barbera, genauer gesagt um einen Barbera d’Alba Superiore«, bestätigte Fabri unaufmerksam, den die zutreffende Charakterisierung schon nicht mehr zu überraschen schien. »Nein, Eva-Maria hatte keine Feinde, ganz bestimmt nicht. Sie war ein so liebenswertes Mädchen, ich habe sie sehr gemocht. Bei Sabrina weiß ich es natürlich nicht, ich habe sie ja erst im Krankenhaus kennen gelernt. Aber können Sie sich vorstellen, dass Sabrina Feinde hat?«
Hipp spuckte den Wein in den Eimer. »Nein, kann ich nicht«, bestätigte er.
»Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass …?«
»Der Logik Ihres Arrangements folgend, würde ich annehmen, dass sich im nächsten Glas ein Barbaresco* befindet«, unterbrach ihn Hipp. Er nahm das Glas und schnupperte daran.
»Können Sie Gedanken lesen?«
»Also, tatsächlich ein Barbaresco«, sagte Hipp mit einem Grinsen. Er setzte das Glas an die Lippen, nahm einen Schluck, zog etwas Luft durch die Zähne und ließ ein leichtes Schlürfen hören. »Jetzt beginnt die Verkostung interessant zu werden. Mein Kompliment, ein opulenter Barbaresco, vielleicht noch etwas ungeschliffen, aber ausgesprochen viel versprechend.«
»Er braucht noch zwei oder drei Jahre«, bestätigte Fabri.
»Hatten Sie ein Verhältnis mit Eva-Maria?«
»Sie stellen merkwürdige Fragen und sind nicht besonders diskret. Außerdem wäre bei Eva-Maria, die in meinem Herzen weiterlebt, etwas Pietät angebracht.«
»Tut mir Leid, aber wir haben uns auf Spielregeln geeinigt. Es wäre doch langweilig, wenn ich harmlose Fragen stellen würde.«
»Aber ob ich mit Eva-Maria geschlafen habe – ich bitte Sie, das geht wirklich zu weit.«
»Sie haben sich bei diesem Barbaresco am Santo Stefano von Bruno Giacosa* orientiert, sehr traditionell, geradezu klassisch«, sagte Hipp, um übergangslos fortzufahren: »Sie haben also nicht mit ihr geschlafen, hätten es aber gerne. Hatte Eva-Maria einen Freund, von dem ihre Eltern nichts wussten?«
Fabri sah Hipp mit großen Augen an. »Sie werden mir langsam, aber sicher unheimlich.«
»Das liegt nicht in meiner Absicht, verzeihen Sie mir. Aber ich liebe nun mal solche Spiele.«
»Nicht ich, sondern mein Vater hat Bruno Giacosa zum Vorbild, er hat bei ihm gelernt. Woher wissen Sie das mit dem Freund?«
»Ich weiß es nicht. Ihre Eltern sagten mir, sie hätte keinen Freund gehabt. Aber das scheint mir unwahrscheinlich. Noch zwei Gläser. Sie machen es mir leicht. Bleibt eigentlich nur noch der Barolo*.«
Hipp nahm mit beiden Händen jeweils ein Glas, roch abwechselnd daran, überlegte.
»Jetzt bin ich wirklich neugierig«, sagte Fabri. »Vor allem will ich wissen, welcher Wein Ihnen besser gefällt.«
»Sie sind mir noch den Freund schuldig.«
Fabri zögerte, gab sich dann aber einen Ruck. »Sein Name ist Giovanni Martino. Er lebt in Castellina in Chianti, er hat dort eine Enoteca. Eva-Maria hat sich letzte Woche von ihm getrennt.«
Hipp ließ den Wein in beiden Gläsern rotieren. »Von ihm getrennt? Hat ihm das gefallen?«
»Im Gegenteil. Dieser Stronzo war zutiefst in seiner Macho-Ehre gekränkt. Giovanni ist fast Amok gelaufen, er hat Eva-Maria gedrängt, wieder zu ihm zurückzukehren. Aber sie wollte nicht, hatte die Nase voll von ihm.«
»Und jetzt haben Sie sich Hoffnung gemacht, richtig?«
»Nun probieren Sie schon. Welcher Wein ist besser?«, sagte Fabri. »Ja, ich habe mir Hoffnung gemacht. Eva-Maria wollte mich sehen, deshalb war sie ja auf dem Weg zu mir. Wir haben uns immer gut verstanden.«
»In beiden Gläsern ist ein Barolo, beide sind hervorragend, und doch sind sie ganz anders. Was für ein Typ Mensch ist dieser Giovanni? Ist er aggressiv? Neigt er wie Ihr Vater zu Jähzorn?«
»Lassen Sie bitte meinen Vater aus dem Spiel. Aber Sie haben Recht, Giovanni ist oft unbeherrscht, aggressiv. Ich kann ihn nicht ausstehen.«
»Ich muss sagen, diese Weinprobe ist sehr aufschlussreich«, stellte Hipp fest, der immer noch abwechselnd an den beiden Gläsern schnupperte, »und zwar in jeglicher Hinsicht. Tut mir Leid, dass ich Ihnen so zugesetzt habe, das lag nicht in meiner Absicht. Sie sind mir wirklich sympathisch, aber ich bin nun mal ausgesprochen neugierig und habe zudem einen schlechten Charakter. Sobald Sabrina
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