Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
und hat sehr spezielle Gründe, die ein Straniero nicht verstehen kann. Aber erstens handelt es sich dabei um Hunde, nicht um Menschen. Zweitens beginnt die Saison erst Ende September. Und drittens haben Sie ein gutes Stichwort gegeben: Unser Tartufo biancho ist ein weiterer Beleg für die Überlegenheit der italienischen Küche …«
»Die ich doch nie in Frage gestellt habe«, wollte Hipp die Notbremse ziehen.
»Vergleichen Sie doch mal den Tuber Magnatum Pico aus Alba mit einem ordinären französischen Périgord-Trüffel. Das ist, als ob …«, Viberti suchte händeringend nach einem Vergleich, »als ob Sie einen Ferrari gegen einen alten 2 CV auf die Rennstrecke schicken.«
»Aber den Ferrari kann man nicht auf Pasta hobeln.«
Viberti zuckte mit den Schultern. »Weder auf Pasta noch auf ein Risotto, richtig. Aber das war ja auch nur ein Versuch, Ihnen den großen Qualitätsunterschied begreiflich zu machen. Bei einem Périgord-Trüffel würden unsere Hunde nicht einmal mit dem Schwanz wedeln …«
»Darf ich zu dem Unfall zurückkehren, der nach meiner Einschätzung keiner war?«
Viberti probierte vom Weißwein. »Roero Arneis, schön frisch, passt perfekt zu unserer Carne cruda. Der Unfall? Nun, ein Raser, das könnte sein«, gab er zu. »Aber kein Mensch mit bösen Absichten, glauben Sie mir. Warum interessieren Sie sich eigentlich so dafür? Der Signorina Valentino geht es doch schon wieder besser, oder?«
»Ihr Vater hat mich beauftragt, auf Sabrina aufzupassen. Außerdem war ich früher bei der Polizei …«
»Un collega, ein ehemaliger Kollege? Sie stecken voller Überraschungen.«
»Nicht direkt ein Kollege, ich bin Psychologe und habe in einer Sonderkommission gearbeitet.«
»Sie sind ein Psychologe? Vielleicht können Sie mir sagen, warum Gianfranco seine Familie im Stich gelassen hat? «
»Nein, kann ich nicht. Mich hat schon Fabri darauf angesprochen, aber da sind viele Motive denkbar …«
»Ich glaube, seine Frau hat ihn genervt. Doch, das wird es gewesen sein. Ich kann ihn gut verstehen.«
Zwanzig Minuten und zwei Portionen Carne cruda später wurde schließlich die Pasta aufgetischt. Viberti fächelte sich mit beiden Händen den aufsteigenden Duft in die Nase. »Sie müssen mal im Herbst kommen. Tagliatelle al tartufo …«
Maresciallo Viberti unterbrach sich und suchte in seiner Uniformjacke, die er über die Rückenlehne gehängt hatte, nach seinem Handy. Ob das die Marschmusik der Carabinieri war?
»Pronto!«, meldete er sich mit verärgertem Gesichtsausdruck. Viberti hasste es, beim Essen gestört zu werden. Hipp beobachtete, wie er beim Zuhören immer wehmütiger auf den Teller mit den Tajarin blickte. Sah ganz so aus, als ob ihr Menü eine rüde Unterbrechung erfahren würde. Nun, ihn störte das nicht weiter. Längst war ihm klar geworden, dass er mit dem Maresciallo zwar seine Kenntnisse der Piemonteser Küche vertiefen könnte, aber sonst wohl kaum zu neuen Einsichten gelangen würde.
»Sì, sì, vengo subito. Ciao!«, beendete der Maresciallo das Gespräch. Für einen kurzen Moment schaute es so aus, als ob er sein Handy in die Nudeln werfen würde. Er sah Hipp entschuldigend an. »Mi dispiace. Aber die Pflicht ruft. Man hat einen Lastwagen gestohlen, bei Alessandria. Das fällt zwar nicht in meinen Verantwortungsbereich, aber er kam leider aus Alba. Und er war randvoll mit Barbera, Barolo und Barbaresco. Ich muss die Frachtbriefe überprüfen und hier vor Ort die Ermittlungen koordinieren.«
Einen Lastwagen gestohlen? Mit Wein? Hipp fielen die Anrufe seines Freundes Talhammer ein, der ja von solchen Diebstählen berichtet hatte und unbedingt wollte, dass er bei der Aufklärung half. Wozu er freilich alles andere als Lust hatte. Warum nur war er vor einigen Tagen in der Toskana ans Telefon gegangen? Im Liegestuhl unter dem Olivenbaum war es so gemütlich gewesen. Und jetzt? Jetzt kam es ihm so vor, als ob alles eine eigene Dynamik entwickeln würde, die nur ein Ziel kannte – ihn nicht mehr zur Ruhe kommen zu lassen.
Viberti war bereits aufgestanden und knöpfte seine Jacke zu.
»Tut mir wirklich Leid, ich hätte Ihnen gerne weitergeholfen. Aber vielleicht können wir dieses Essen bei Gelegenheit wiederholen und unser Gespräch fortsetzen? Das Kaninchen ist wirklich delizioso, und der Barbaresco, den ich ausgewählt habe …«
Hipp gab Viberti die Hand. »Natürlich, das machen wir. Ich rufe Sie morgen an. Und viel Erfolg bei Ihren Ermittlungen.«
»Da sehe ich
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