Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
Intervention hatte er auch diese Klippe gemeistert.
Hipp beglich im Hotel seine Rechnung, verstaute die Reisetasche im Alfa, machte einen kurzen Spaziergang zum Caffè Savona, um vor dem Aufbruch noch schnell einen Cappuccino zu trinken. An einem kleinen Tisch unter den Arkaden sitzend, überlegte er, mit welchem Gefühl er sich auf den Rückweg machte. Hatte sich sein Engagement gelohnt? Die Bewertung fiel schwer. Gewiss, ohne sein Auftauchen in Alba wäre Rettensteins Tod als Unfall abgehakt worden. Er hatte erreicht, dass Nachforschungen angestellt wurden, dass man heute von einem Mord oder Totschlag ausging, dass man eine Suche nach dem Täter eingeleitet hatte. Aber wem hatte das genutzt? Spielte es eine Rolle, mit welchem Aktenvermerk Rettenstein im Sarg lag? Wenn Steinknecht wirklich der Täter war, und alles sprach dafür, dann konnte man ihm kaum mehr einen Prozess machen. Hier hatte eine höhere Macht für Gerechtigkeit gesorgt. Und Gina? Er hatte ihr geholfen, jene Probleme zu lösen, die sie ohne ihn erst gar nicht gehabt hätte. Also war auch der erbrachte Beweis ihrer Unschuld ein eher zweifelhafter Erfolg in seiner Bilanz.
Und was war mit den anderen? Der tote Trüffelsucher Ildefonso, Maria, seine Witwe, ihr Bruder Carlo, der sich um Maria und den Hund Profumo kümmerte, Amedèo Steinknechts Partner Ugo Zorzi, dieser Russe Michail Borogowski, Ginas todkranke Mutter Rosa … Was ging ihn deren Schicksal an? Mit welchem Recht mischte er sich in die Angelegenheiten fremder Menschen ein?
Hipp trank den Cappuccino aus, legte einige Münzen auf den Tisch und stand auf. Arrivederci! Auf Wiedersehen? Nein, so schnell würde er sich hier nicht mehr blicken lassen.
Hipp startete den Alfa, fuhr von der Piazza Savona nach rechts über den Corso Fratelli, an der Stazione vorbei zum Corso Matteotti. Im Kreisel an der Viale Torino, dort, wo es nach rechts in die Altstadt ging, fing der Motor plötzlich zu stottern an. Hipp sah auf die Instrumente: Wassertemperatur, Öldruck, Benzinstand, alles in Ordnung. Er schaltete in den Leerlauf, trat einige Male kräftig aufs Gaspedal, was die Giulietta zunächst mit einer eindrucksvollen Fehlzündung beantwortete – um dann vollends zu verstummen. Eine bessere Stelle hätte sich sein Alfa für die überraschende Arbeitsverweigerung kaum aussuchen können. Im engen Kreisel zum Stillstand gekommen, blockierte er den gesamten Verkehr. Aber zu seiner Überraschung gab es keine Hupkonzerte, stattdessen klopften mitfühlende Passanten an die Scheibe, und im Rückspiegel sah er Autofahrer aussteigen, die ihm zu Hilfe eilten. Vergeblich versuchte er den Motor neu zu starten. Hipp stieg aus und hob entschuldigend die Hände. Ein älterer Herr identifizierte aus dem Stand die Benzinpumpe als Ursache für den Schwächeanfall der bella macchina. Nein, protestierten zwei Jugendliche, der Vergaser sei defekt, ganz sicher. Oder ein Kolbenfresser, das sei bitter, außerdem sehr teuer. Gemeinsam schoben sie seine Giulietta auf die Seite, ein junger Mann verständigte per Telefonino »die beste Alfa-Werkstätte« rund um Alba, die ganz in der Nähe sei und zufällig seinem Schwager gehöre. Der Abschleppwagen sei schon so gut wie unterwegs. Seiner Meinung nach müsse man nur den Luftfilter reinigen. Oder die Zündkerzen auswechseln, natürlich, was denn sonst. Hipp dankte seinen Helfern, lehnte sich an die Kühlerhaube und wartete. Gina hätte sicherlich gewusst, was seiner Giulietta fehlte. Aber mit einem Pflasterstein war es diesmal wohl nicht getan.
Bis zum Eintreffen des Abschleppwagens hing Hipp seinen Gedanken nach, beobachtete die vorbeifahrenden Autos, studierte amüsiert einen überdimensionalen Trüffelhobel in einer angrenzenden Grünfläche. Und er erinnerte sich, dass er beim Kauf des alten Spider kapriziöse Unpässlichkeiten der »Bellezza« billigend in Kauf genommen hatte – also durfte er sich jetzt nicht zu Vorwürfen hinreißen lassen.
Zwei Stunden später beugte er sich in einer Werkstätte mit einem Mechaniker über seinen Motor. Der Meccanico klopfte mit dem Schraubenzieher auf verschiedene Aggregate, womit er zum Ausdruck brachte, dass sein endgültiges Urteil noch nicht feststand. Aber »in ogni caso« sei seine Giulietta in ein, zwei Tagen wieder bei bester Gesundheit. Eine optimistische Prognose, die Hipp insofern in Konflikt brachte, als es für diese kurze Zeit nicht lohnte, mit dem Zug in die Toskana zu fahren. Also würde er nun doch ein wenig länger
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