Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
haben.«
»Es ist in der Toskana nicht so schlecht, wie Sie denken.«
»Mag sein, vielleicht nicht ganz so schlecht. Aber eben nicht annähernd so schön wie hier im Herzen des Piemont.«
»Sie müssen mich mal besuchen kommen.«
Viberti nickte zögerlich. »Das könnte man in Erwägung ziehen. Obwohl ich kein Freund von abenteuerlichen Fernreisen bin.«
»Fernreise?« Hipp lachte. »Aber ich bitte Sie, die Toskana ist doch nicht die Dritte Welt.«
Der Maresciallo sah ihn zweifelnd an. »Sind Sie sich da sicher?«
Nach dem Caffè corretto und einigen vertiefenden Gesprächen zu den kulturellen Unterschieden in den italienischen Regioni kam Viberti auf die aktuellen Ermittlungen im Falle Rettenstein zu sprechen. Obwohl er zwischenzeitlich Ugo Zorzi in Verdacht gehabt habe, identifiziere er jetzt ganz zweifelsfrei Amedèo Steinknecht als Tatverdächtigen. Hipps Hinweis, dass Steinknecht zur Tatzeit in Alba gewesen sei, habe den Ausschlag gegeben. Die Indizienkette werde fast stündlich länger und lege sich unbarmherzig um seinen kalten Hals. Es gebe eine Vielzahl von Zeugenaussagen, die über häufige Streits zwischen Steinknecht und Rettenstein berichteten. Dabei seien sogar Handgreiflichkeiten protokolliert. Vor allem in letzter Zeit seien die Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Geschäftsführung eskaliert. Offenbar habe sich Steinknecht unseriöser bis krimineller Praktiken bedient, die von Rettenstein kategorisch abgelehnt wurden. Mit Fälschungen wie beim Barolo habe Rettenstein sicherlich nichts zu tun haben wollen. Nachweislich sei Steinknecht in der Mordnacht in Rettensteins Haus gewesen. In der Nacht des Mordes oder des Totschlags – das werde man wohl nie herausfinden, aber das sei auch nebensächlich, da ein Strafvollzug bei Steinknecht aus gefriertechnischen Gründen hinfällig sei. Und ins Kreuzverhör könne man ihn auch nicht mehr nehmen.
»Dottore, das deckt sich doch mit Ihren Überlegungen, oder nicht?«, fragte der Maresciallo.
Hipp zuckte mit den Schultern. »Steinknecht ist gewiss ein ernst zu nehmender Kandidat, da stimme ich Ihnen zu.«
»Doch, er war es, da bin ich mir ganz sicher. Steinknecht hat abends die Trüffeln abgeholt. Es kam wieder mal zum Streit über die Geschäftsmethoden. Rettenstein ist mit einer Flasche Sassicaia auf seinen Partner losgegangen. Dieser hat sie ihm aus den Händen gerungen, sie dann am Küchentisch abgeschlagen und Rettenstein, der erneut auf ihn losging, in den Hals gerammt. Dann hat er die Leiche in den Teppich gerollt, in den Weinkeller geschleift, das Regal umgeworfen, alles hübsch arrangiert …«
»Klingt plausibel«, bestätigte Hipp. »So könnte es sich zugetragen haben. So oder so ähnlich.«
Viberti verscheuchte Gäste, die sich an den Nebentisch setzen wollten. »Der Tisch steht nicht zur Disposition«, erklärte er energisch. »Ich führe gerade ein hoheitliches Gespräch, das keine Zuhörer duldet. Suchen Sie sich woanders einen Platz!«
»Ein hoheitliches Gespräch?«
Viberti schmunzelte. »Keine Ahnung. In meiner Uniform konnte ich wohl kaum auf Beichtgeheimnis plädieren. Lieber Dottore, fällt Ihnen noch etwas ein, was ich in meinem abschließenden Protokoll berücksichtigen sollte?«
»Sie könnten Gina Zazzari befragen, sie hat im Haus mal ein Streitgespräch belauscht. Aber ich glaube, Gina hat nicht viel mitbekommen. Vielleicht ist ihr ein österreichischer Akzent aufgefallen? Sie erwähnte, dass es irgendeine Merkwürdigkeit gegeben habe. Allerdings kann sie Steinknechts Stimme ja wohl kaum mehr identifizieren.«
»Nein, sie ist sozusagen auf Eis gelegt«, stellte Viberti lakonisch fest. »Übrigens war Sottotenente Garrisaldo von Signorina Zazzari sehr angetan, das hat er am Telefon angedeutet. Er wird sie sicherlich sehr gerne in dieser Angelegenheit als Zeugin vorladen.«
»Davon bin ich überzeugt«, bestätigte Hipp, »vor allem, wenn sie ihm gewisse Einblicke gewährt.«
»Gewisse Einblicke?« Viberti langte sich fragend an die Brust. »Sie meinen solche Einblicke?«
Hipp schmunzelte. »Als sie aus seinem Zimmer kam, war der Reißverschluss ihres Polos verdächtig weit offen.«
»Tatsächlich? Vielleicht sollte ich doch selbst mit ihr sprechen.«
»Sie kommt demnächst bestimmt mal nach Alba … «
»Das war ein Scherz«, unterbrach ihn Viberti.
»Natürlich.« Hipp kostete von den Pralinen, die ihnen auf den Tisch gestellt wurden. »Bliebe die Frage, wer Steinknecht auf dem Gewissen
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