Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
seiner Haushälterin Maria B. und ihrem Bruder Carlo G.«
Das war’s. Hipp schloss die Augen, ließ die Zeitung sinken und die Nachricht auf sich wirken. Da versuchte dieser Rettenstein ihn tagelang zu erreichen, hatte in seinen E-Mails von einer Bedrohung geschrieben, der er sich ausgesetzt fühle, hatte behauptet, dass es um Leben und Tod gehe, dass man ihm Wein vergiftet habe … Und kurz danach war genau dieser Hubertus Rettenstein durch einen »tragischen Unfall« ums Leben gekommen? Hipp erinnerte sich an seinen Versuch, Rettenstein telefonisch zu erreichen. Er sah auf das Datum der Meldung. Kein Wunder, dass Rettenstein nicht abgehoben hatte, zu diesem Zeitpunkt war er schon tot gewesen. Ein »tragischer Unfall«? Hipp glaubte nicht an Zufälle, jedenfalls nicht an solche.
Er stand auf und ging ins Haus, um auf seinem Computer die E-Mails von Rettenstein aufzurufen. Wenig später stand er wieder auf der Veranda. Mit dem Fuß trat er gegen eine der Säulen. Und obwohl es überhaupt nicht seiner Wesensart entsprach, stieß er einen lauten Fluch aus. Er warf das Glas mit dem Wein in einen Ginsterbusch. »Porca miseria!« Warum nur hatte er auf Rettensteins Hilferufe nicht reagiert? Dabei spielte es keine Rolle, ob er ihm wirklich hätte helfen können. Aber sie einfach zu ignorieren, das war nicht in Ordnung gewesen. Weil ihm ein Gulasch vom Wildschwein und Bruschetta con lardo wichtiger gewesen waren? Nun gut, er war nicht auf der Welt, anderen Menschen zu helfen, nein, wirklich nicht. Es war gelegentlich schwierig genug, sich selbst zu helfen. Und er hatte diesem Rettenstein gegenüber keinerlei Verpflichtungen. Trotzdem, seit einigen Minuten fühlte er sich alles andere als wohl.
»Ich brauche dringend Ihre Hilfe«, zitierte er flüsternd aus Rettensteins erster Mail. Jetzt war es zu spät, er würde ihm nicht mehr helfen können.
Aber vielleicht war er ihm was schuldig?
Hipp setzte sich und stützte den Kopf in die Hände. Langsam reifte eine Entscheidung. Er musste herausfinden, ob Rettenstein wirklich Opfer eines Unfalls geworden war. Doch, das zumindest sollte er tun. Für ihn und für sich selbst. Sein Entschluss stand fest. Er würde den Besuch bei Sabrina verschieben, stattdessen die Giulietta volltanken und ihre Reisetauglichkeit auf die Probe stellen. Mit etwas Glück schien die Sonne, dann konnte er wenigstens offen fahren. Und eilig hatte er es auch nicht. Rettenstein war schon tot!
8
D ie Trüffel lag als Corpus Delicti auf einem braunen Packpapier. »Seit wann werden Trüffeln mit Schrot geschossen?«, fragte der Tourist aus Dänemark. Seine blonde Begleitung nickte zustimmend.
Viberti schmunzelte. Na, immerhin hatten die beiden Humor. »Wie kommen Sie denn darauf?«, antwortete er scheinheilig mit einer Gegenfrage. Dabei war ihm völlig klar, worauf sie hinauswollten.
»Sehen Sie hier!« Der junge Däne pulte mit einem Taschenmesser aus der Trüffel eine Schrotkugel hervor und zeigte sie triumphierend dem Maresciallo.
»Tatsächlich«, spielte Viberti den Überraschten, »eine Schrotkugel. Unglaublich, incredibile.«
»Die Trüffel wurde beim Kauf mit 80 Gramm gewogen«, sagte Soeren.
Viberti schüttelte den Kopf. »Non è possibile, dafür ist sie entschieden zu klein.«
»Sie wird noch kleiner, wenn man den Lehm wegbürstet«, sagte Lene, Soerens Freundin. »Sehen Sie hier, da sind tiefe Rillen in der Trüffel, die mit Erde zugekleistert sind.«
»Krallenspuren«, stellte Viberti fest.
»Wie bitte?«
»Das sind Spuren von Hundekrallen«, erklärte er, »so etwas kommt vor. Gelegentlich sind Trüffelhunde* etwas ungestüm.«
»Und dieses Loch hier?«
»Das wiederum dürfte eine Schnecke gewesen sein. Auch im Tierreich gibt es Feinschmecker.«
»Jedenfalls hat man uns betrogen, die Trüffel ist nicht einmal die Hälfte wert. Wir möchten Anzeige erstatten!«
»In Ordnung«, sagte Viberti. »Gegen wen?«
»Leider wissen wir nicht, wie der Mann heißt«, musste Soeren zugeben.
»Schade. Sie haben diese Trüffel ganz offiziell auf dem Trüffelmarkt, dem Mercato del Tartufo im Cortile della Maddalena erworben?«
Soeren sah den Maresciallo verlegen an. »Nun, nicht direkt. Das ist uns zu teuer. Wir haben diese Trüffel in einer Nebenstraße von einem Mann in einem grauen Sakko mit ausgebeulten Taschen gekauft.«
»Damit haben Sie erstens den Pfad der Tugend verlassen«, erklärte Viberti mit strenger Miene. »Zweitens haben alle Trüffelhändler in Alba Sakkos mit ausgebeulten
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