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Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo

Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo

Titel: Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Taschen. Diese Personenbeschreibung ist also völlig unzureichend …«
    »Aber wir sind mit dieser Knolle doch ganz offensichtlich übers Ohr gehauen worden«, unterbrach ihn Lene mit einem treuherzigen Augenaufschlag.
    »Drittens«, fuhr der Maresciallo unbeirrt fort, »ist dieser Tartufo keine Knolle, sondern ein Pilz von der Gattung der Schlauchpilze. Wenn Sie eine Knolle essen wollen, kaufen Sie sich eine Kartoffel.« Viberti beugte sich über die Trüffel, fächelte sich etwas Luft zu, nahm einen Bleistift zur Hand, drehte ihn um und drückte ihn leicht auf die Oberfläche. »Und viertens hat dieses Exemplar, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, seine beste Zeit längst hinter sich. Ich würde diese Trüffel nicht zum Verzehr empfehlen – mit oder ohne Schrotkugeln.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte Lene und sah die Trüffel fast mitleidig an.
    »Absolut sicher«, bestätigte Viberti, »zufällig bin ich ein Experte auf diesem Gebiet. Dieser Tartufo ist definitiv ein Fall für die Pathologie.«
    »Für die Pathologie? Wie meinen Sie das?«
    »Im übertragenen Sinne. Wäre dieser Tartufo ein menschliches Wesen, wäre er ein Fall für den Leichenbeschauer. Er ist sozusagen verstorben. Exitus. Finito! Sie verstehen?«
    »Man hat uns eine Leiche verkauft«, flüsterte Lene.
    »Umso schlimmer«, insistierte Soeren. »Wir möchten Anzeige erstatten!«
    Viberti schüttelte den Kopf. »Ich würde dringend davon abraten. Sie müssten Stunden damit verbringen, meinem Appuntato beim Protokoll behilflich zu sein. Bedenken Sie doch, draußen scheint die Sonne, unsere Amtsstuben sind klein und stickig. Außerdem müssten wir Sie über die grobe Fahrlässigkeit Ihres Verhaltens aufklären. Auch dazu müssten wir ein Schriftstück aufsetzen. Weitere Stunden würde es in Anspruch nehmen …«
    »Nein, wir ziehen unsere Anzeige zurück«, entschied Lene über Soerens Kopf hinweg. »Können wir jetzt gehen?«
    Viberti machte eine großzügige Handbewegung Richtung Tür. »Naturalmente, amici. Mi dispiace, es tut mir leid. Sie wollten besonders schlau sein und Geld sparen. Das kann ich verstehen, ich war auch mal jung. Die nächste Trüffel kaufen Sie bitte auf dem Mercato del Tartufo. Da wird man Sie nicht betrügen.« Viberti hüstelte. »Nun ja, vielleicht ein kleines bisschen, das gehört zum Geschäft, aber nicht wirklich.«
    Lene und Soeren standen auf, um zu gehen.
    Der Maresciallo deutete auf die Trüffel. »Ich würde Sie bitten, dieses traurige Exemplar wieder mitzunehmen.«
    »Was sollen wir damit machen? Sie sagten doch, die Trüffel sei zum Verzehr nicht mehr geeignet.«
    »Werfen Sie den Tartufo in eine Mülltonne, gießen Sie ihn als Souvenir in Acryl, beerdigen Sie ihn würdevoll auf der Wiese hinter dem Parkplatz – aber tun Sie mir bitte einen Gefallen«, Viberti faltete die Hände, »nehmen Sie ihn mit! Dieser Tartufo stimmt mich depressiv.«

9
    Z unächst hatte Hippolyt mit Vernaccia und Cabernet geliebäugelt, mit Sangiovese di Romagna, Lambrusco*, Gutturnio und schließlich Barbera* und Moscato*. Nein, nicht um all diese Weine zu trinken, höchstens gelegentlich ein kleines Degustationsglas. Vielmehr hatte er seine Giulietta durch die Anbaugebiete steuern wollen, getreu der Maxime, dass der Weg das Ziel wäre. Er liebte die romantischen Strade dei vini, die durch die reizvollsten Landschaften Italiens führten. Der Vernaccia hätte ihn nach San Gimignano ins Elsa-Tal geleitet, von dort durchs Chianti Classico und an Florenz vorbei nach Carmignano, wo traditionell Cabernet Sauvignon angebaut wird. Dann den Apennin überquerend in die Emilia-Romagna*, der antiken Via Emilia folgend durch die Anbaugebiete des Sangiovese di Romagna und des oft zu Unrecht geschmähten Lambrusco, an Parma* vorbei in die Colli Piacentini mit dem roten Gutturnio. Schließlich in die Lombardei und ins Oltrepò Pavese, wo einen der Barbera schon aufs Piemont* einstimmte, dann nach Asti* mit den schäumenden Weinen aus der Moscato-Traube – und in die Weinberge bei Alba mit dem großartigen Barolo und dem nicht minder ansprechenden Barbaresco.
    Recht bald aber hatte er diese reizvolle Streckenführung verworfen, sie war ihm dann doch zu zeitraubend und lustorientiert erschienen. Immerhin gab es für seinen Ausflug einen ernsten, einen todernsten Anlass. Entweder hatte sich Rettenstein durch einen makabren Unglücksfall ins Jenseits befördert, oder er war Opfer einer brutalen Gewalttat geworden. In jedem Fall erforderte es der

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