Hirngespenster (German Edition)
seine knarrenden Geräusche von sich gab – er war kurz vorm Aufwachen. Nachdem Nils zwischen uns lag, hustete er in einer Art und Weise weiter, dass einem angst und bange werden konnte. Johannes und ich rissen ihn schließlich hoch, und im nächsten Moment erbrach er sich in hohem Bogen in unser Bett. Dabei erwischte er buchstäblich alles in seinem Radius: meine Bettdecke, die von Johannes, das Betttuch unter uns, einen Zipfel meines Kopfkissens – ganz zu schweigen von meinem Stillhemd, das sofort an meinem Busen festklebte.
Ich war bedient. In der einen Minute hatte ich noch im Halbschlaf die Vorfreude auf mein Treffen mit dem lässig an einen Baum lehnenden Jens genossen, in der nächsten saß ich in einem vollgekotzten Bett, wusste nicht, wohin ich zuerst greifen sollte – egal, was ich anpacken wollte, es versprach, nicht appetitlich zu werden. Gleichzeitig hustete Nils in dieser besorgniserregenden Tonlage weiter, die Ole aufweckte, Hunger und Unbehagen anmeldend. Johannes und ich sahen uns sprachlos an.
Er fand zuerst aus seiner Starre und griff mit spitzen Fingern nach dem schreienden Kind, zischte »Scheiße, Scheiße, Scheiße« und beförderte ihn ins Bad. Ich kümmerte mich um meine Hände, die ich an den noch sauberen Stellen meiner Bettwäsche abwischte, dann rollte ich die stinkende Wäsche zu einem dicken Bündel und trug es hinter ihnen her – im Ohr Oles lauter werdendes Quengeln.
Ich schimpfte still vor mich hin und fragte mich, wieso erwachsene und klar denkende Menschen eigentlich jemals Kinder bekamen? Man stellt sich zufrieden glucksende Babys auf rosa Babydecken vor und wird plötzlich von der Realität eingeholt, die da heißt, Kotzbröckchen aus Bettdecken zu sammeln, bevor man sie in die Maschine stopft. Und völlig vollgekotzte Schlafanzugoberteile mit viel zu engem Halsausschnitt möglichst erfindungsreich über duftende Kinderköpfe zu ziehen. Oder über den eigenen.
Kurz und gut: Der Morgen verlief beschissen. Alles kostete mich Unmengen Zeit und Energie, mir dröhnte der Schädel. Ich lieferte Nils trotzdem in der Kita ab, wollte um jeden Preis zu meinem Treffen mit Jens. Dass mein Sohn sich übergeben hatte, erwähnte ich gegenüber der Erzieherin mit keinem Wort, nur einen »leichten Husten« brachte ich zur Sprache. Es war klar, dass sie mich früher oder später anrufen würden, aber ich ging davon aus, dass ich wenigstens ein bisschen Zeit für Lovegod haben würde.
Doch weit gefehlt. Ole saß schreiend in seiner Babyschale neben mir auf dem Beifahrersitz, als ich in die Straße zum Park einfuhr – knapp eine Stunde nach dem mit Jens verabredeten Zeitpunkt. Natürlich hatte ich ihn informiert, dass ich mich verspätete, aber so oder so: Ich war nicht bei der Sache. Mit der einen Hand versuchte ich immer wieder, Ole einen Schnuller in den Mund zu stopfen, mit der anderen manövrierte ich durch die Straßen. Einen Parkplatz fand ich schon gar nicht. Die ganze autofahrende Welt schien sich an diesem Morgen am Güntherburgpark verabredet zu haben. Warum waren alle Parkplätze besetzt um diese Zeit? Ich umfuhr den Park von allen Seiten, bis ich Jens anrief. »Ich kann nicht kommen, ich finde keinen Parkplatz!«, rief ich in den Apparat.
»Komm zum Haupteingang, wir fahren woanders hin. Mach dich nicht verrückt«, schlug er vor.
Mach dich nicht verrückt, haha. Das besorgte schon Ole neben mir mit hochrotem Kopf. Gerade als ich vorm Haupteingang hielt, kam Jens angejoggt und legte an meiner Beifahrertür eine Vollbremsung hin. Mit dem Daumen nach hinten deutend, gab ich ihm zu verstehen, dass ich den Taxifahrer mimte – vorne war besetzt. Er stieg ein und langte zwischen den Vordersitzen hindurch, streichelte kurz meine Wange, während ich hektisch anfuhr – um mich herum hupten bereits die ersten genervten Autofahrer. Ich fragte mich, wo wir hinsollten; Ole hatte anscheinend wieder Hunger, hielt sich nicht an seine Zeiten. Gleichzeitig vernahm ich von Ferne ein »Hel-lo-Mo-to«-Gedudel, das mich gewaltig an mein Handy erinnerte.
»Jens«, lachte ich, und versuchte, Ole zu übertönen, »ich glaube, wir müssen unser Treffen verschieben!« Das Gedudel aus meiner Handtasche ertönte immer lauter, Oles Schreien auch. »Das wird die Kita sein«, sagte ich und wedelte nervös zu meiner Handtasche, »kannst du mir mal mein Handy geben?«
»Klar«, sagte er, zog meine Tasche zwischen den Vordersitzen hervor und öffnete den Reißverschluss meines Lederbeutels.
»Wo soll
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