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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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ihren Geschmack. Sie winkte ab. »Danke für das Angebot Luigi, aber ich frag mal bei Tanja, ob sie demnächst eine Aushilfe braucht«, zwinkerte sie.

    Tanja war gerade mit ihrer Kassenabrechnung beschäftigt, als Sabina mit ihrem Eis in der Hand den Salon betrat. »Ah«, grinste sie, »Luigi Spezial.«
    »Etwa neidisch?«
    »Kaum«, seufzte Tanja und betrachtete den Kassenbestand.
    »Du Tanja, es gibt Neuigkeiten«, sagte Sabina und erzählte ihr von Alex, der das netteste Lächeln besaß, das ihr seit langem untergekommen war.

    Wir haben endlich das Fotoalbum angesehen! Immer wieder habe ich das dumme Ding vergessen. Und vorhin, nachdem sie mich ins Bett verfrachtet hatten, habe ich einen solchen Aufstand veranstaltet, dass Sabina mir entnervt erlaubte, noch mal aufzustehen – »Good Lord in heaven« hat sie gemurmelt. Ich lief zum Bücherregal und zerrte an dem Fotoalbum, bis es mir auf die Füße fiel. Den Schmerz ignorierend, sah ich zu, dass ich darin blätterte, denn ich spürte genau, dass Sabina kurz davor war, es mir wieder aus der Hand zu reißen. »Das willst du dir ansehen? Jetzt?«, fragte sie und rief Johannes. »Schau dir das an, sie will sich ein Fotoalbum angucken – als hätten wir nichts Besseres zu tun!« Gleichzeitig schien sie Hoffnung zu schöpfen, dass ich danach Ruhe gäbe; sie streichelte mir über den Arm, setzte sich zu mir, und seitdem blättern wir gemeinsam darin. Ich bin etwas irritiert, denn ich meinte, das Album gut zu kennen – aber von den Leuten hier kommt mir kein Einziger bekannt vor. Fremde Gesichter starren mich an, keine Anna darunter. Wie kann das sein? Hektisch fange ich wieder von vorn an, Sabina schnaubt schon ungeduldig neben mir. Ich merke, sie will das Buchblättern so schnell wie möglich beenden. Johannes lehnt im Türrahmen und meint lachend: »Sieht fast so aus, als ob sie jemanden sucht.«
    Ich lache ihn an. Endlich mal einer, der mich versteht! Als ich schließlich alle Seiten durchhabe, klappt Sabina das Buch energisch zu, und ich reibe mir enttäuscht die Augen. Keine Anna in dem Buch. Nicht eine vertraute Person!
    Johannes sagt: »Wenn sie da Spaß dran hat – wir haben noch andere Alben im Keller, jede Menge von Silvies Familie und von Nils und Ole, als sie klein waren. Kannst du dir ja in den nächsten Tagen mal mit ihr ansehen.«
    Ich will direkt zur Wohnungstür laufen, um in den Keller zu kommen, doch sie halten mich auf. »Sie versteht jedes Wort«, sagt Johannes kopfschüttelnd und hilft mir ins Bett zurück. »Morgen holen wir die Alben hoch«, verspricht Sabina, macht das Licht aus und die Tür zu und lässt mich allein zurück. Heute ist es mir egal, dass sie mich alleine lassen, ich denke nur an Johannes' Worte. Im Keller! Bestimmt haben sie noch viele andere alte Sachen von mir nach dort unten verbannt. Hoffentlich denkt Sabina auch wirklich daran, die Alben zu holen, denn in den Keller komme ich nie. Warum auch? Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen, nicht mal zum Wäscheaufhängen. Allerdings gehört Wäscheaufhängen zu den Dingen, die ich am wenigsten vermisse. Am meisten vermisse ich Anna – wobei das nicht ganz stimmt. Die Gedanken an eine andere Person sind noch schmerzhafter.

Silvie
    Als meine Eltern Emma und Clara mit dem festen Vorsatz zurück nach Bad Homburg brachten, mit Anna die Verhaltensauffälligkeiten der beiden zu besprechen, bissen sie auf Granit. Anna stellte sich taub. Nicht Emma und Clara seien das Problem, vielmehr Luna, argumentierte sie. Sie müsse zu viel Zeit für die Hausaufgaben mit ihr verwenden, weshalb sie die beiden Jüngeren nicht gut beaufsichtigen könne. Die beiden seien nun einmal lebhaft, aber das könne sie »eindämmen«. Ganz im Gegensatz zu Lunas Dummheit.
    Meine Eltern waren entsetzt, meine Mutter rief empört: »Aber Kind, Luna ist doch nicht dumm!« Mein Vater fragte wieder, ob sie etwa den Kindern etwas gäbe, es sei doch merkwürdig, dass sie wie aufgezogen waren, sobald sie nach Hammersbach kamen. Das empfohlene Zappelin wirke keine Sekunde. Und die Mädchen hätten bestätigt, dass es manchmal so bittere kleine Dinger auf die Zunge gab.
    »Das ist Vitamin D«, antwortete Anna, »ich gebe ihnen sonst nichts.« Und damit war das Thema für sie erledigt.

    Nach diesen Berichten fragte ich mich, warum meine Eltern nichts unternahmen – es lag doch auf der Hand, dass hier etwas gründlich schieflief. Andererseits – ich tat ja auch nichts. Hatte genug mit mir selbst zu tun. Und was genau

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