Hirngespenster (German Edition)
nehmen – zwei –, unter den Kaffeeautomaten stellen, – drei – Knopf drücken. Sie spürte Matthias' Blick, der sie aus den Augenwinkeln beobachtete.
Wahrscheinlich überkam ihn wieder der Ekel, so wie neulich, als er sie ins Bad geprügelt hatte. Dass er sie boxte oder an ihr zerrte, war mittlerweile an der Tagesordnung. Dabei konnte sie nichts für die Langsamkeit, mit der sie sich ihren Kaffee zubereiten musste – es sollte doch nichts verschüttet werden.
Matthias trat ganz nah zu ihr hin und fragte: »Hast du gehört, was ich gesagt habe? Zwanzig Euro in die Klassenkasse – wir haben früher zwei Mark eingezahlt, das war für Ausflüge, heute zahle ich für Kopien das Zehnfache, die sind doch nicht mehr ganz dicht.«
Anna stand unbeweglich. Was sollte sie dazu sagen? Zwanzig Euro waren zwanzig Euro, oder? Sie hatte ganz andere Fragen im Kopf, aber sie hielt lieber den Mund. Wenn er sie wieder traktierte, dann musste sie schreien, und dann bekam Luna Angst und … Matthias hielt sie unsanft am Arm fest, und ihre Zähne begannen unvermittelt zu klappern; sie hatte ihren Kiefer nicht unter Kontrolle.
»Hat es dir die Sprache verschlagen? Ich denke, du nimmst was ein?«, raunte er.
Sie nickte und taumelte an ihm vorbei, nur schnell, bevor er sie weiter festhalten konnte. Sie musste sich endlich Rasierklingen besorgen, das war die schnellste Methode. Doch sie musste vorsichtig sein! Wenn er etwas davon mitbekam, dann würde er sie totschlagen.
Inzwischen kann ich vollkommen ohne fremde Hilfe durch die Wohnung laufen! Zwar komme ich extrem langsam voran, es geht Schritt für Schritt, ein bisschen abgehackt wie ein Roboter, ab und zu muss ich mich kurz an der Wand festhalten, um nicht zu stolpern, aber im Großen und Ganzen fühle ich mich enorm mobil! Und was das Sprechen angeht: Ich führe sehr interessante Selbstgespräche – nicht nur in meinem Kopf. Die Ärzte sind trotzdem nicht zufrieden. Gerade wieder waren wir bei einem, der meine Fortschritte überprüfte. Angeblich lassen meine sprachlichen Fähigkeiten sehr zu wünschen übrig, und man wollte checken, ob ich vielleicht einen Gehörschaden habe. Da hätten sie auch früher draufkommen können! Allerdings, mit Sicherheit habe ich keinen, ich höre hervorragend. Trotzdem, meine Reaktionen ließen wohl zu wünschen übrig, ich war auch recht unruhig, und mit dem Stillsitzen hab ich's zurzeit auch nicht – man brach die Untersuchung ab. Sabina hatte eine hochrote Birne, als wir aus der Praxis kamen, »Mit dir kann man sich nur schämen!«, schimpfte sie und rammte mit mir an einen Pfosten. Mir dröhnt jetzt noch der Schädel. Zur Strafe hat sie mich gleich ins Bett gesteckt, als wir wieder nach Hause kamen. Ohne Mittagessen! Und nur, weil ich im Auto kurz eingenickt bin. Es macht mir nichts aus, ich kann Pläne schmieden. Wie ich in den Keller kommen könnte zum Beispiel, denn natürlich haben sie sich nicht an ihr Versprechen gehalten.
Ich müsste nur aus der Wohnungstür.
Silvie
Man kann sich ja viel vornehmen, so als Mutter. Zum Beispiel, sich mit Lovegod in einem Park zu treffen, um ein paar Details aus dem Privatleben auszutauschen, die man bisher für Tabu erklärt hatte. Unter anderem, wie seine Frau hieß und wie viele Kinder er hatte.
Ausgemalt hatte ich mir, dass ich mit Ole zum Park fuhr, einen Parkplatz in der Nähe des Haupteingangs belegte und gemütlich mit ihm bis zu dem kleinen Café in der Nähe der Spielplätze schlenderte. Dort würde Jens stehen, lässig an einen Baum gelehnt, mich schon von weitem anlächelnd. Wir würden aufeinander zugehen, den Blick nicht voneinander wendend, die letzten Schritte etwas eiliger, bis wir uns in den Armen lägen. Am meisten freute ich mich auf seinen Geruch – den würde ich aus seiner Halskuhle heraus in mich einsaugen und ihm dann einen zärtlichen, atemlosen Kuss auf seine festen Lippen drücken, ganz so, als wären wir ein normales Paar, das sich im Park trifft. Immerhin hatte er »Ich liebe dich« zu mir gesagt.
Stattdessen, ich sage mal, kam alles ein wenig anders.
Nils erwachte gegen fünf Uhr morgens mit einem Husten, der mehr an das Bellen eines heiseren alten Hofhundes erinnerte, als an den eines knapp anderthalbjährigen Kindes. Ich raunte ein verschlafenes »Du bist dran« zur anderen Seite des Bettes, was Johannes dazu veranlasste, sich stöhnend aus dem Bett zu schälen und Nils zu uns zu holen. Auf meiner Seite des Bettes, im Stubenwagen, schlief Ole, der jedoch schon
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