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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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ich hier auch nur irgendetwas finden?«, fragte er und wühlte ein wenig darin herum, dem immer lauter werdenden Klingelton mit den Fingern folgend. »Komm, lass es«, rief ich entnervt, und fuhr rechts ran. »Gib mal her!«
    Als er mir die Tasche endlich übergeben konnte, hatte das Klingeln aufgehört, und ich blickte aufs Display. Die Kita, also doch. Es war nicht der richtige Tag für ein Treffen mit Jens, nicht der richtige Zeitpunkt, um mit Tabus aufzuräumen.
    Jens schien das anders zu sehen. »Was wollen die von der Kita? Ist er immer noch krank?«
    Ich nickte. »Er kotzt bestimmt wieder. Vom Husten«
    »Dann holen wir ihn eben ab«, sagte er, als ob es das Einfachste von der Welt wäre.
    Ich sträubte mich. »Ich kann ihn doch nicht so einfach mit dir zusammen abholen, wie sieht denn das aus?«
    »So als ob du mit einem Freund der Familie deinen Sohn abholst. Und der Freund der Familie wartet mit deinem schreienden Baby im Auto, sie werden mich also noch nicht mal zu Gesicht bekommen.«
    Klang easy. »Okay«, sagte ich und überlegte weiter. »Und danach, wo fahren wir dann hin?« Zu mir nach Hause konnten wir unmöglich gehen, garantiert begegneten wir jemandem im Treppenhaus, das konnte ich auf gar keinen Fall riskieren. Und woanders konnten wir auch nicht hin, Nils war krank und gehörte in seine vertraute Umgebung.
    Jens hatte darüber offensichtlich auch nachgedacht. »Wenn wir Nils abgeholt haben, fährst du mich zurück zu meinem Auto und gibst mir deine Adresse. Ich komme nach. Ich werde meinen Aktenkoffer dabei haben, komme zu dir als Versicherungsvertreter. Das kann keiner verdächtig finden, wenn du Besuch von einem Versicherungsfritzen bekommst. Falls mich überhaupt jemand sieht. Dritter Stock wohnst du, oder?«
    Ich meine, er war ja wirklich Versicherungsvertreter. Selbst wenn Johannes von der Sache hörte und Verdacht schöpfte, ich konnte ja beweisen, dass er Versicherungsvertreter war. Es gab gar keinen Grund für uns, in Parks herumzulungern oder uns im Hotel zu verstecken. Außerdem lief ja gar nichts. Ich hatte gerade entbunden.
    Eben.

    Kaum hatte ich Ole gestillt und Nils ins Bett verfrachtet, klingelte Jens. Ich war zurückhaltend mit meiner Begrüßung, schlüpfte aus seiner Umarmung. Wir waren in meiner Wohnung, Herrgott. Wir setzten uns in der Küche zusammen, ganz so, als wollte er mir tatsächlich eine Versicherung verkaufen – wir gingen sogar so weit, dass wir einen Antrag mit meinen und einen mit Johannes' Daten ausfüllten, die wir auf dem Tisch platzierten, rein für den unwahrscheinlichen Fall, dass Johannes plötzlich auftauchen würde.
    »Ihr seid beide in Hanau geboren«, stellte er fest.
    Ich nickte. »Sankt-Vincent-Krankenhaus. Wo bist du geboren?«
    »Hannover.«
    Wir schwiegen und lächelten. Es war seltsam, dass wir plötzlich alles voneinander wissen sollten. Jens blickte wieder auf die Anträge vor uns auf dem Tisch. »Versicherungssummen?«, zwinkerte er.
    »Fünfhunderttausend«, lachte ich schelmisch, vergessend, dass es sich nicht um einen Lottogewinn handelte. Er füllte alles aus und erfuhr so meinen Geburtsnamen, ob ich schon mal ein Nierenleiden hatte oder Probleme mit dem Rücken, den Augen, dem Herz. Johannes war ebenso kerngesund wie ich. Unruhig horchte ich immer wieder auf die Tür. Johannes war noch nie mitten am Tag zu Hause aufgetaucht, aber, wie sagt man so schön: Der Teufel ist ein Eichhörnchen.
    »Jetzt hätte ich aber auch ein paar Fragen, Herr Reimer«, tat ich schließlich scherzhaft, nachdem ich alle Fragen beantwortet hatte, und schob die Unterlagen beiseite.
    Sich im Küchenstuhl zurücklehnend, erwiderte er: »Nur zu.« Dann zwinkerte er und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte: »Ich bin froh, wenn wir die Formalitäten hinter uns haben, denn ich wäre dem ein oder anderen Kuss nicht abgeneigt. Ich musste lange genug darauf warten.«
    Er konnte sich recht gestelzt ausdrücken, manchmal.
    »Deine Frau hätte ich mir vollkommen anders vorgestellt«, begann ich ohne Umschweife, »so vom Typ her.«
    Jens kam aus seiner zurückgelehnten Lage nach vorn an den Tisch und blickte mich irritiert an. »Meine Frau?«
    »Na, die aus dem Ginkgo. Das war doch deine Frau.«
    Er lächelte amüsiert. »Ach, die. Nein. Das war meine Schwester. Claudia. Sie wäre nicht mein Typ, da hast du recht. Mir war gar nicht klar, dass du sie für meine Frau halten könntest.« Er lachte kopfschüttelnd auf.
    Schwester. Soso. Ich war mir nicht sicher, ob

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