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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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Köfferchen nach Deutschland fliegen, wenn ihr mir nicht
über den Weg traut.«
    »Jetzt sei doch nicht so empfindlich. Weiß ich doch, dass du ein
Mann von Ehre und ein anständiger Kerl bist, sonst würden wir uns hier gar
nicht unterhalten. Und ich weiß, dass du nach Frankfurt willst, sonst hättest
du dich nicht mit mir getroffen. Alles ist gut, so wie es ist. Ich glaube, wir
können noch viele gute Geschäfte miteinander machen.«
    Jurij ist eine Mischung aus Humphrey Bogart und Wladimir Putin.
Klein, smart, durchtrainiert, aalglatt. Blond, das Haar schon etwas schütter,
weit auseinanderstehende Augen, durchscheinend blau, ein kleiner Mund mit einer
ausgeprägten, sinnlich geschwungenen Unterlippe.
    Das Knurren, das unter dem Schreibtisch hervordringt, gehört zu
einem großen weißen Hund, der bisher regungslos dalag und zu schlafen schien.
    »Keine Angst«, sagt Jurij und grinst. »Der tut eigentlich nichts.«
    »Ich weiß«, antwortet Wiktor, den Blick fest auf das hässliche Tier
gerichtet. »Ich habe aber auch noch nie gehört, dass ein Hundebesitzer gesagt
hätte: ›Keine Angst, der hat es nur auf deinen Oberschenkelknochen abgesehen.‹
Was ist das denn für ein Prachtstück?«
    »Argentinische Dogge, sehr selten bei uns. Aber es gibt anderes, über
das du dir Gedanken machen solltest. Wenn sie dich erwischen, dann sagst du gar
nichts und rufst nur diese Nummer hier an.« Jurij gibt ihm eine Visitenkarte.
»Sie werden dich höchstens ein Jahr einsperren. Du bekommst den besten Anwalt,
wir sorgen für deine Freundin und passen gut auf sie auf. Und wenn du dann aus
dem Knast kommst, brauchst du dir keine Sorgen zu machen, denn wir sind
großzügig zu denen, die sich an die Spielregeln halten. Du wirst dich über die
Höhe des Schmerzensgelds nicht beklagen, versprochen. Dir wird es richtig gut
gehen – solange du niemanden verrätst.«
    Jurij zieht einen Keks aus der Tasche und lockt damit den Hund. Der
richtet sich zu mindestens fünfundsiebzig Zentimetern Schulterhöhe auf,
schüttelt seine Stummelohren und fixiert Wiktor mit von rosigen haarlosen
Lidern eingerahmten rabenschwarzen Triefaugen.
    »Denn wenn du jemanden verrätst«, knurrt Jurij, »ich glaube, ich muss
es dir nicht extra sagen, dann bist du tot. Und glaub ja dem Staatsanwalt kein
Wort, er kann dich nicht vor uns beschützen. Denk daran. Ab jetzt sind wir eine
Familie.«
    »Klar«, sagt Wiktor und nimmt den Koffer.
    »Ach, apropos. Deine Frau ist doch vor einigen Jahren gestorben.«
    »Ja, und?«
    »Was ist eigentlich aus dem Kind geworden? Ihr hattet doch einen
Sohn. Hieß er nicht Dimitrij?«
    Wiktor horcht auf. Was weiß Jurij über seinen Sohn? »Er hat bei
seinen Großeltern gelebt. Hat’s dort schön gehabt.«
    »Und wo ist der kleine Mitja jetzt?«
    »Wenn’s gut läuft, im Himmel. Er ist mit elf gestorben. An einer
Lungenentzündung.«
    Wiktor verlässt das Büro, das in einer alten Fabrikbrache liegt. Es
regnet. Ölspuren schimmern auf dem Kopfsteinpflaster, in das Schienen
eingelassen sind. Hunderte von Metern lange Hallen aus rotem Ziegel. Rampen, an
denen früher Güterwagen entladen wurden. Heute hängen über den Toren zu den
Lagerhallen farbige Schilder: »Kiew-Trading Import-Export«, »Worldwide Goods«,
»The Best United Fruit Company Ukrain«. Vor einigen Toren stehen Männer in
Pullovern herum, rauchend, wartend. Über dem Büro, in dem Wiktor Jurij
getroffen hat, steht »Best Print Offset and Digital Printings – Best
Quality«.
    Das Taxi wartet immer noch an der Ecke vor der Fabrikhalle. Wiktor
läuft darauf zu, er hat die Schultern hochgezogen, der Regen ist stärker
geworden. Der Taxifahrer steigt aus, als er ihn kommen sieht, und öffnet ihm
die Tür.
    »Zum Flughafen, schnell, ich habe länger gebraucht als gedacht.«
Wiktor zieht einen Fünfzig-Euro-Schein aus dem Umschlag. »Beeilung, sonst
verpasse ich meinen Flug.«
    »Wohin?«
    »Frankfurt, vierzehn Uhr dreißig.«
    Der Taxifahrer telefoniert, dann sagt er: »Kein Problem, Terminal
zwei, das schaffen wir.«
    ***
    Luba und Marjana sind schon da, als das Taxi an Terminal zwei
ankommt.
    »Hat alles geklappt?«, fragt Luba.
    »Ja, natürlich hat alles geklappt, was denkst du denn? Los, gehen wir
in die Halle. Luba, wo hast du den Koffer, den ich dir gegeben habe?«
    »Ich hab ihn in ein Schließfach eingeschlossen.«
    »Was? Hol ihn sofort wieder raus!«
    »Den Ton kannst du dir sparen. Ich hab die Karte und bin hier die
Chefin, und ich lasse mich von

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