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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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Käse in einem teigigen Brötchen. Auf
nichts davon hat er Appetit.
    Luba und Marjana unterhalten sich mit einem Deutschen, der in ihrer
Reihe sitzt.
    »Und was haben Sie in Kiew gemacht?«, fragt Luba in ihrem etwas
umständlichen Englisch.
    »Wir sind gerade dabei, eine Druckerei und eine Zeitung aufzukaufen.
Wissen Sie, wir sind zwar nur ein Provinzverlag, aber auch in der Provinz kann
man Geld verdienen. Vielleicht sogar mehr als in der Hauptstadt.«
    »Ist ja sehr interessant.« Ohne sichtbaren Anlass rückt sie mit dem Kopf
näher an den Deutschen. Wiktor fragt sich, ob sie vielleicht plötzlich schlecht
hört.
    An der Grenze zur First Class stehen zwei Stewardessen, die immer
wieder zu ihm hinsehen und miteinander tuscheln. Nur nicht nervös werden, denkt
Wiktor. Wieso sollten sie ihn beobachten?
    Als sie auf Reiseflughöhe fliegen, meldet sich der Kapitän und
begrüßt die Passagiere. Kurz darauf erscheint er selbst im Fahrgastraum. Er
bleibt bei den beiden Stewardessen stehen, die ihm etwas zuflüstern und nun
ganz offen zu Wiktor hinsehen, dann kommt er auf ihn zu.
    Luba hört auf, sich mit dem Deutschen zu unterhalten. Marjana hört
auf zu kichern. Als der Pilot an ihnen vorbei ist, drehen sie sich zu Wiktor
um. Geht’s noch auffälliger?
    Wiktor hat ein Blatt Papier auf dem Schoß liegen, das er mit gerunzelter
Stirn und zusammengekniffenen Augen studiert. Er macht sich Notizen am Rand,
hält den Blick starr auf das Blatt gerichtet. Aus den Augenwinkeln sieht er,
wie sich neben ihm, auf dem Gang, zwei blaue Hosenbeine aufbauen. Wiktor hält
den Kopf weiterhin gesenkt. Die Beine entfernen sich, und als Wiktor endlich
den Kopf hebt, blickt er auf den breiten Rücken des Piloten. Er steht jetzt wieder
bei den beiden Flugbegleiterinnen und lässt sich die Passagierliste zeigen.
    Als der Pilot erneut auf ihn zukommt, packt Wiktor das Papier weg
und denkt: Scheißflugzeug, Scheiß-Ukraine-Airlines! Scheißblöde Falle.
    »Los, rück einen Sitz weiter«, herrscht ihn der Pilot an. »Ich möchte
mich zu dir setzen. Na los, rück schon rüber.«
    Andere Passagiere haben schon die Hälse nach ihm gereckt. Wiktor
sieht Lubas blasses Gesicht, aber er reagiert nicht. Schockstarre.
    »Los, schau mir ins Gesicht«, sagt der Pilot.
    »Warum denn?« Wiktor räuspert sich umständlich. »Ist das der hervorragende
Service der Ukraine International Airlines, den die Stewardess beim Einsteigen
gepredigt hat?«
    »Ja, genau, das ist dieser ganz besondere Service. Ich kümmere mich
in meiner Maschine höchstpersönlich um verdächtige Subjekte. Und jetzt schau
mich an. Ich weiß sowieso, was du ausgefressen hast, du brauchst dich gar nicht
zu verstecken.«
    Da endlich dreht Wiktor den Kopf und sieht in das Gesicht des
Piloten, rund wie ein Pfannkuchen, kleine Schweinsaugen, breites Grinsen. Die
Visage kennt er.
    »Boris, du Idiot, du Arschloch, du Schwein, du Bazille, du
hässliches Rhinozeros!« Wiktor spuckt ihm die Schimpfwörter fast ins Gesicht
und hat gute Lust, ihm einen Schwinger in den Magen zu versetzen. »Und ich
dachte, wir sehen uns nie wieder. Du fliegst eine Boeing, ich glaube es nicht.
Wie hast du das denn geschafft?«
    »Du weißt doch, eine Flasche Wodka und ein Päckchen Rubel, so
bekommst du in Russland alles, was du willst. 1988 habe ich bei der Aeroflot
angeheuert und bin nach der Auflösung ganz elegant zu Ukraine Airlines
hinübergeglitten. So geht das. Und du fliegst wahrscheinlich immer noch
Hubschrauber, um die Menschheit oder zumindest ein paar Seelen zu retten, was?«
    »Mich so zu erschrecken, du Armleuchter.« Langsam pendelt sich
Wiktors Puls wieder ein. »Nein, Menschheit retten ist vorbei. Irgendwann haben
sie mich untersucht und gesagt: So, das war’s, Hubschrauber fliegen ist nicht
mehr. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass ich ihnen die schönen neuen
Hubschrauber verstrahle, mit der Ladung, die ich abbekommen habe.«
    »Ja und? Geh doch ins Ausland, geh nach Afrika, Südamerika, die
suchen Leute wie dich. Oder in die Schweiz, die haben dort eine MI  6, genau wie zu Hause. Was denkst du, wenn die
einen Piloten wie dich bekommen, mit deiner Erfahrung, die lecken sich alle
zehn Finger nach dir.«
    »Warum meinst du denn, dass ich nach Deutschland fliege? Die haben
von mir gehört und mir ein tolles Angebot gemacht. Und darum fliege ich heute
mit dir nach Frankfurt, verstehst du? Obwohl mir eine Lufthansa-Maschine und
eine Lufthansa-Crew schon lieber gewesen wären, das sage ich

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