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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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Schrift.
    »Wladimir López, aus Kiew, geboren am 4.10.1957 in Saratow, USSR . Kannst du mir sagen, was ein Ukrainer hier bei
uns in einer Höhle unterm Göll sucht?«
    Lebow zuckt die Achseln.
    Leni zieht eine Regenjacke aus dem Rucksack des Toten, zwei Müsliriegel,
eine Wasserflasche. In einem Seitenfach findet sie einen Schlüssel an einem
Ring.
    »Ein Zimmerschlüssel aus einem Hotel oder einer Pension.«
    Als der Hubschrauber landet, drückt sie Lebow den Rucksack in die
Hand.
    »Was hast du denn jetzt vor?«
    »Ich geh zu Fuß weiter. Irgendwo muss der Mann ja hergekommen sein.
Stahlhaus, Kehlsteinhaus oder Purtschellerhaus, da unten, auf dem First. Und da
geh ich jetzt hin. Also, pfiat euch.«

München-Grafing, 15. Mai 2010
    Der Lautsprecher knackt, und ein Rauschen untermalt die Ansage:
»Nächster Halt Grafing-Bahnhof.« Flaches Land zieht an den Fenstern vorbei,
Felder, auf denen noch die Feuchtigkeit des Morgens liegt. Dörfer, Kirchtürme,
Ansammlungen von Einfamilienhäusern, Supermärkte inmitten verwaister
Parkflächen, verwahrlost wirkende kleine Bahnhöfe, an denen der Zug
vorbeirauscht, ohne anzuhalten.
    Die Waggontür öffnet sich, und ein Servierwagen scheppert durch das
Großraumabteil. »Kaffee, Cola, Fanta, Sprite, Wasser, Sandwich, Schokoriegel.«
Eine Frau bestellt Kaffee mit Milch und Zucker. Als er den Wagen an Wiktor
vorbeischiebt, fragt der junge Mann mit den kurzen Haaren und der athletischen
Figur ihn, ob er auch einen Kaffee möchte.
    Wiktor schüttelt den Kopf. »Hirschgulasch«, nuschelt er.
    »Wie bitte, was möchten Sie?«, fragt der junge Mann.
    »Hirschgulasch«, wiederholt Wiktor.
    »Sind denn heute alle durchgedreht?«, stöhnt der Mann. »Im ersten
Wagen will eine Dame Frühlingsrolle, aber bitte ohne Glutamat, im nächsten
Wagen fragt jemand nach einem Pils vom Fass, und jetzt soll ich auch noch ein
Hirschgulasch herzaubern. Vielleicht mit Spätzle und Preiselbeeren, der Herr?«
    Wiktor nickt. »Hirschgulasch, Spätzle«, wiederholt er das wenige,
was er verstanden hat.
    »Darf ich Ihnen vielleicht ein Schinkensandwich anbieten?« Der junge
Mann kramt ein in Folie gewickeltes Brötchen aus den Schubfächern seines Caddys
und hält es Wiktor unter die Nase.
    »Nein«, sagt Wiktor, »Hirschgulasch.«
    »Hier gibt es kein Hirschgulasch«, sagt Marjana, als wäre Wiktor
Patient in einer Anstalt. »Und wenn es welches gäbe, dann wäre es aus der Dose
und ungenießbar.«
    »Okay, dann eben später.«
    »Du wirst dein Hirschgulasch schon noch bekommen«, meint Luba.
    »Du auch«, antwortet Wiktor. »Für dich dann eben ohne Hirsch.«
    »Was ist denn nun mit dem Sandwich?«, fragt der junge Mann.
    »Geben Sie her«, antwortet Marjana. »Und einen Becher Kaffee bitte.«
    »Zwei«, sagt Luba.
    Wiktor streckt drei Finger in die Luft.

Frankfurt am Main, 15. Mai 2010
    »Lass mich!« Von Reichenberg schubst seine Frau zur Seite, sodass
sie stolpert und fast hinfällt. Dann zählt er noch einmal das Geld. Mandy trägt
ein enges Schlauchkleid, wie eine zweite Haut liegt es über ihren Rundungen.
Tiefer Ausschnitt, schulterfrei. Ihre Sandalen sind aus weichem braunem
Veloursleder, haben eine mindestens drei Zentimeter hohe Sohle und an die zehn
Zentimeter hohe Absätze. Die Spitzen ihres weißblonden Pagenkopfs berühren ihr
Kinn.
    Sie sitzt in einem der großen Ledersessel und sieht ihrem Mann zu,
wie er das Geld zählt. »Schatzi, was ist denn eigentlich los?«
    »Halt einfach die Schnauze, ja? Ich treffe mich gleich mit den Kurieren
und muss das Geld aufteilen, verstanden?«
    Mandy murmelt etwas Unverständliches. Von Reichenberg springt auf,
holt mit dem Fuß aus und kickt den Koffer, der offen auf dem Tisch liegt, auf
den Boden. Die Geldscheine flattern auf und bleiben im ganzen Zimmer verstreut
liegen.
    »Das hast du jetzt davon!« Von Reichenberg packt Mandy an den Haaren
und zieht sie zum Koffer. »Du räumst das Geld wieder ein und zählst es. Wenn
ich zurückkomme, will ich genau wissen, wie viel Geld im Koffer ist. Ist das
klar?«
    Im Auto ruft er Jurij an. »Dieser windige Kleinganove, den du mir
geschickt hast, hat mich um fünftausend Euro beschissen.«
    »Na und? Was willst du von mir? Ich bin doch nicht dein Kindermädchen.
Muss ich dir erklären, dass man beim Einkaufen das Wechselgeld nachzählt?«
    »Ich dachte, für dich arbeiten Leute, denen man trauen kann.«
    »Ich traue meinen Leuten auch. Was ich von dir nicht unbedingt
behaupten will.«
    »Dein Wiktor hat es aber

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