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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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in der offenen Nordsee endete, waren die Wellen ungewöhnlich hoch.
    In der Dunkelheit konnte Krechting nicht weit sehen und natürlich nicht ausmachen, ob ein Schiff in die Bucht gekommen war. Es war eine dumme Idee gewesen herzukommen. Er sollte die Nacht besser nutzen, um seine Kräfte zu erhalten. Gerade als er sich vom Wasser abwenden wollte, glaubte er, fremden Atem in seinem Nacken zu spüren, eine Hand an seinem Arm.
    Das Letzte, was er wahrnahm, war ein heftiger Schmerz, der seinen Schädel zu sprengen schien und seine Schläfe feucht werden ließ.
    Die ersten Deicharbeiter waren auf dem Weg. Allen voran schritt Dudernixen. Er hatte alles darangesetzt, dass der Schmied rasch neues Werkzeug als Ersatz für das gestohlene herstellte. Sie mussten vorankommen, mussten jeden Tag alles geben. Es wäre gut, wenn sie bis zum Winter auch die letzte Lücke zum Friedeburger Siel geschlossen und so das Meer gebändigt hatten. Es war ein Wunder, mit anzusehen, wie schnell sich trockenes und fruchtbares Land bildete, das den Menschen hier schon bald ein Überleben sicherte.
    Die Menschen konnten hier ohnehin nicht mehr fort und würden sich für immer mit ihren Familien niederlassen. Hier war ihre Zukunft. Holland, Münster … alles war so weit weg.
    Seit von Ascheburgs Tod fühlte er sich verantwortlich, denn Krechting schien nicht mehr in allen Belangen allmächtig. Den Arbeitern gefiel diese Einmischung nicht, das wusste er, doch es war ihm egal. Er liebte es, Macht und Einfluss zu haben, auch über seine Tätigkeit als Bader hinaus. Die Leute mochten ihn nicht wie von Ascheburg, der souverän und mit Geduld und Wissen die Bauarbeiten vorangetrieben hatte. Er dagegen war oft unbeherrscht und jähzornig. Krechting hatte allerdings keinerlei Einwände geäußert, als Dudernixen seine Mitarbeit angekündigt hatte, und so war es dabei geblieben, dass er den Lokator ersetzte, auch wenn er noch nicht als solcher benannt worden war. Aber das konnte sich ja noch ändern.
    Krechting war es letztlich doch nur wichtig, dass alles seinen Gang ging und er endlich den Ort bauen konnte, an dem sein Herz so hing. Die neue Stadt der Täufer. Eine Vision, die Dudernixen durchaus teilte, die er allerdings etwas anders umsetzen wollte, als Krechting es plante.
    Dudernixen hatte ihn schon immer für schwach gehalten. Er war nur wer, wenn er alle Menschen im Rücken hatte. Wäre er wirklich stark, hätte Graf Anton ihn in Oldenburg nicht stoppen können. Er hätte sich über all das hinwegsetzen müssen und sich nicht im alten Kloster verkriechen dürfen. Was für ein feiges Verhalten. Die Glaubensbrüder aus Münster hatten ihr Leben für die Sache gelassen, Krechting dagegen hatte seine Verbindungen ausgenutzt und war mit seiner Familie und mit der Schemerings sowie von Ascheburg geflohen, während van Leyden, Krechtings Bruder Bernd und Knipperdolling das Fleisch bei lebendigem Leib aus dem Körper gerissen wurde, bevor sie in den Stahlkäfigen am Turm von Lamberti den Krähen zum Fraß vorgeworfen wurden.
    Krechting war ein Schaf. Er maßte sich an, die Täufer in der Herrlichkeit einen zu können, obwohl alle Mennoniten die Gewalt der Täufer aus Münster verabscheuten. Krechting glaubte tatsächlich, dieses Ziel zu erreichen, wenn er sich nach außen hin der reformierten Kirche verschrieb und behauptete, dass Hardenberg ihn bekehrt habe.
    Dudernixen schnaubte. Ihm war noch nie ein Mann begegnet, der alle Begebenheiten des Lebens so auslegte, dass für ihn das Beste dabei heraussprang. Außer ihm selbst vielleicht. Er hatte von Krechting und von Cornelius gelernt. Sich immer so verhalten, wie die Obrigkeit es erwartete. Dann konnte nichts schiefgehen, und man konnte seine Machtposition Stück für Stück ausbauen. Es war ein einfaches Spiel, das jeder beherrschte, der es wollte. Nur kannten die meisten es nicht. Am allerwenigsten diese Hebamme, die sich neuerdings im Lager herumtrieb und sich aufspielte, als habe sie die Weisheit der Medizin mit Löffeln gefressen.
    Dudernixen beschleunigte seinen Schritt.
    Die Menschen, die Jan und Garbrand auf der Reise begleiteten, waren sehr verschwiegen, suchten keinerlei Kontakt zu ihnen. Es waren Frauen dabei und Kinder. Männer, die stumm in den Nachthimmel starrten, immer wieder beteten. Einer war ein Gaukler, er hielt im Käfig einen Affen, der hin und wieder herzzerrreißend weinte, was Jan sehr erstaunte, hätte er doch nicht erwartet, dass ein Tier so menschliche Laute ausstoßen konnte.

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