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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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Mann Melchior hereinkam.
    »Was hältst du da fest?« Er öffnete ihre Handflächen und wollte ihr das Schmuckstück entreißen. Weil Magda sich wehrte, riss er ihr mit dem Verschluss ein weiteres Mal die Wunde in der Hand auf. Das heraustropfende Blut ließ ihn kalt, sein Blick klebte einzig an dem Medaillon. Er besah es von allen Seiten. »Das gehört dem Toten«, stellte er fest, und Magda erkannte Schweißperlen auf seiner Oberlippe. »Und es fehlt die Kette«, stellte er ebenso wie seine Frau fest.
    »Dem Toten«, wiederholte Magda. In dem Augenblick schob sich ein weiteres Bild vor ihr Auge. Jenes, als der Schmerz in ihrem Schoß beinahe unerträglich geworden war und sie vom alkoholgeschwängerten Atem Friso van Heeks wie betäubt war. Und als er sich über sie beugte. Dabei hatte dieses Medaillon vor ihrem Gesicht hin und her gebaumelt, vor und zurück. Warum war das Ding jetzt hier, bei ihr, warum war es leer, und warum bewegte es sich nicht mehr?
    Melchior betrachtete derweil die Oberfläche des Medaillons, fuhr darüber, verharrte an der Spitze des Kristalls. »Es ist wertvoll«, sagte er, öffnete den Verschluss und starrte auf den blauen Samt. »Leer.«
    Das wusste er doch, schoss es Magda durch den Kopf. Er wusste doch vorher, dass es leer war. Ihr schien es, als habe sie diese Geste schon einmal gesehen. Irgendwann in ihrem Nebel. Da war das Medaillon auch geöffnet worden. An ihr Ohr drang ein Heulen. Es klang wie der Ruf eines Wolfes.
    Vermischte sie gerade wieder etwas? Magda versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, aber immer wieder schoben sich die Bilder übereinander. Zwischendurch sah sie klar, wusste genau, was passiert war, und dann wieder verschwamm alles zu einem zähen Brei.
    Melchior klappte das Medaillon mit einem Knacken zu. »Es muss hier weg«, bestimmte er. »Oder wir verstecken es, denn wenn Gras über die Sache gewachsen ist, kann man sicher ein paar Gulden dafür bekommen.«
    Magda setzte sich auf und stopfte das Kissen in den Rücken. Sie konnte jetzt ganz klar denken. »Woher hast du das Medaillon?«, fragte sie ihren Mann. »Woher hast du es? Es hat mit der Sache von damals zu tun, und das weißt du auch.«
    Ihr Mann redete nie über früher. Er wandte sich ab und gab Magda keine Antwort.
    Hiske tat alles, um Linas Leben zu retten. Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, als sie aufatmen konnte. Das Mädchen war über den Berg. Hiske hatte ihre Gerätschaften schon gereinigt, damit Lina sie nicht länger vor Augen haben musste. Diese lag schwach und zitternd in ihrer Bettstatt. Es hatte alles sehr wehgetan, was die Hebamme mit ihr gemacht hatte, und es waren Dinge, die sie vorher für unvorstellbar gehalten hatte.
    »Eine Brühe würde ihr sicher guttun und sie kräftigen«, schlug Hiske Anneke vor. »Kinder wird sie vermutlich keine mehr bekommen können.«
    Anneke machte sich sofort daran, Wasser aufzusetzen. Sie tat sehr geschäftig. Hiske wusste nur zu gut, was in der Duuvke vor sich ging. Sie trieb die Furcht um, die Hebamme könne reden. Und genau die Furcht, Anneke könne das von ihr denken, bereitete Hiske Kopfzerbrechen. Sie überlegte, ob sie die Marketenderin ansprechen sollte, entschied sich dann aber, es auf sich beruhen zu lassen. Warum sollte sie Anneke beunruhigen? Die Hebamme hatte getan, was sie tun musste. Das, was sie hier trieben, sollten sie mit sich selbst, ihrem Glauben und der Obrigkeit wie Krechting ausmachen. Sie war keine Engelmacherin, die Frucht wäre auch ohne ihr Zutun abgegangen. So aber hatte sie wenigstens das Leben des Mädchens retten können. Zumindest hoffte sie sehr, dass es so war.
    »Lina wird von hier fortgehen müssen«, sagte Anneke, als Hiske ihr Bündel schnürte. »Ich kann sie nicht behalten. Die Gefahr ist zu groß, dass herauskommt, warum sie in Umständen war. Und Grieta geht gleich mit.«
    Hiske sah auf die bleiche junge Frau, die in ihrem Kissen alt wirkte, obwohl sie die ersten fünfzehn Jahre ihres Lebens bestimmt noch nicht hinter sich hatte. »Ich werde schweigen wie ein Grab. Es ist für mich nicht von Interesse, das Geschehen weiterzutragen. Sieh zu, dass sie sich ausruht.« Hiske strich Lina übers Gesicht. »Und wenn du sie fortschickst, dann warte noch so lange, dass sie es auch überleben kann.« Sie zog Anneke aus der Kammer. »Ihr müsst ganz dringend anders verhüten. Honig auf Blättern, dieses Niesen in der Hocke hinterher … das hilft alles nichts.«
    »Ich nehme einen mit Essig getränkten Schwamm und habe noch

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