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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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hatte. Der war nach Ansicht Krechtings ein rechtschaffener Mann gewesen, selbst wenn er nicht der Täufergemeinde angehörte und deshalb nicht den Stellenwert eines Lübbert Jans Kremers hatte. Aber er war Kaufmann, und allein dieser Stand machte ihn für den Juristen vertrauenswürdig. Von daher würde er die Schuld immer zuerst bei den anderen suchen.
    Die Begrüßung zwischen Jan und Garbrand fiel recht knapp aus. »Was hast du in der Mordnacht mit dem Wortsammler in der Neustadt gemacht?«
    »Nichts, was erwähnenswert wäre«, sagte Garbrand. Er war nüchtern und seine Stimme klar, ebenso wie sein Verstand.
    »Aber warum warst du mit dem Wortsammler dort, werter Freund?«
    Garbrand wand sich. »Wir haben uns so viele Jahre nicht gesehen, Jan Valkensteyn. Und schon zweifelst du an meinem Wort. Unser neuerliches Treffen hatte ich mir anders ausgemalt.«
    Jan legte seinem alten Freund die Hand auf die Schulter. »Wohl wahr, Garbrand. Wohl wahr. Aber ich habe auch nicht geglaubt, dass ich gleich wieder auf einen Toten stoße. Es scheint fast, als bringe ich mit meinem Erscheinen Mord und Verdammnis in die Herrlichkeit, wobei Letzteres ja genau das ist, an was die Menschen hier nicht glauben wollen.«
    »Friso van Heek war kein guter Mensch«, begann Garbrand und erzählte Jan, wie er den Wortsammler nach Frisos Attacke auf dem staubigen Weg aufgegabelt hatte.
    Jan wurde mit jedem Wort, das der Mönch sprach, wütender. Nicht auf Garbrand, sondern auf die Menschen hier, die sich einen Dreck darum scherten, einem Jungen wie dem Wortsammler, der keinem von ihnen ein Haar gekrümmt hatte, zu helfen.
    »Der Wortsammler war also sehr böse auf Friso van Heek?«, hakte Jan nach. Er musste alles wissen, sonst würde er vor Krechting nicht bestehen können.
    Garbrand kniff die Lippen zusammen. Er nickte, sehr bedächtig, als wolle er den Knaben nicht anklagen, aber er konnte nicht verhehlen, wie aufgebracht der Wortsammler wegen Friso van Heek gewesen war.
    »Und was ist nachts geschehen? Mensch, Garbrand, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
    Der Mönch erzählte stockend von dem Wimmern, das der Knabe gehört hatte, und dass der kurz drauf hinausgestürmt und er, Garbrand, dem Jungen gefolgt war.
    »Und du weißt nicht, von wem es kam?«
    Garbrand schüttelte den Kopf. Eine Spur zu heftig. Jan vermutete, dass der Mönch ihm noch etwas verschwieg, war sich aber sicher, dass aus Garbrand jetzt nicht mehr herauszubekommen war.
    »Wir sind kein Stück weiter. Überall erzählen sie, dass du dich mit dem Wortsammler nachts am Siel aufgehalten hast. Wie können wir das widerlegen?«
    Garbrand zuckte mit den Schultern. »Gar nicht, Jan. Weil es stimmt. Wir waren dort. Du weißt, wie gern der Wortsammler auf die See stiert, wie sehr ihn das Wasser beruhigt. Ich bin oft mit ihm auf dem Deich oder am Siel. Er liebt es, wenn unverhofft ein Segel am Horizont auftaucht, er liebt es, wenn die Sterne sich in der Wasseroberfläche spiegeln. Und er liebt die Schiffe, wenn sie am Siel festgetaut sind. Das sind die Momente, in denen ich das Gefühl habe, er ist eins mit sich. Es war also nichts Besonderes, auch in der Nacht ans Wasser zu gehen, wo ihn der Tag mit dem, was die Menschen ihm mal wieder angetan haben, so verschreckt hat.«
    »Deine Worte berühren mich, Garbrand. Mir scheint, der Knabe hat in dir einen guten Freund und Weggefährten gefunden.«
    »Das hat er. Ich verstehe ihn. Meistens.«
    Magda Dudernixen saß noch immer auf ihrer Bettstatt und hielt das Medaillon umklammert. Sie hatte es die ganze Nacht nicht aus der Hand legen können. Sie verband mit dem Schmuckstück etwas, konnte nur nicht sagen, was es war. Obwohl sie hoffte, dass die Erinnerungen nicht zurückkamen, lauerte sie gleichzeitig darauf. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um das Medaillon, sprangen sie an, tanzten miteinander, ohne zuzulassen, dass sich ein Gedanke festigte. Magda schaute auf das Schmuckstück. Das Licht spiegelte sich in den eingearbeiteten Linien. Es brach sich, als handele es sich nicht um ein Bild, sondern um einen wahren Kristall. »Ein Meerkristall«, sagte sie, und das Wort kam ihr bekannt vor. Sie verband es jedoch mit schlimmen Erinnerungen, mit Schmerz, mit Weinen. »Weg«, sagte sie. »Haut ab! Ich will es nicht wissen.«
    Aber mit einem Mal hielt Magda inne, denn an dem Schmuckstück fehlte etwas. Die Kette war nicht da. Sie warf sich zurück aufs Kissen, hatte den Meerkristall wieder mit der Hand umschlossen, als ihr

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