Historical 148 - Die Geliebte des Rebellen.doc
gern jedem einzelnen Soldaten die Augen ausgekratzt." Er wich AnnaClaires Blick aus, als er entschlossen hinzufügte: „Ich muss mit ihr gehen. Sonst würde sie gewiss unüberlegt handeln und sich damit in Gefahr begeben."
Moira hielt nur mit großer Mühe die Tränen zurück. „Nein, Gavin, du darfst nicht zulassen, dass auch Innis fortgeht", flehte sie. „Ich könnte es nicht ertragen, fast alle meine männlichen Angehörigen an einem Tag zu verlieren."
Gavin ließ die Schultern hängen. Ihm war dieser Gedanke auch schon gekommen. Das Zusammensein der ganzen Familie war so schrecklich kurz gewesen. Und nun würde sie erneut auseinander gerissen werden. Schlimmer noch. Die Söhne würden sich beide im Land des Feindes aufhalten. Also wollte er wenigstens dafür sorgen, dass Innis zu Hause blieb.
„Du bleibst auf Ballinarin, Innis", bestimmte er.
„Das ist ungerecht", protestierte der Junge. „Es ist genauso mein Kampf wie Eurer. Ich habe meine ganze Familie verlo ren. Ich will nicht Rory und ... und die ... Engländerin ebenfalls verlieren."
Gavin erhob die Stimme, um seiner Anordnung mehr Gewicht zu verleihen, aber auch, um seine plötzliche Rührung zu überspielen. „Du hast mich gehört, mein Junge. Du bleibst hier.
Wir sind jetzt deine Familie. Und wir sorgen für deine Sicherheit."
Daraufhin schob Innis AnnaClaire und Conor beiseite und rannte nach draußen.
„Mistress Finn", sagte Moira und wandte sich an die Haus hälterin, die in der Nähe der Tür stand und sich mit einem Zipfel ihrer Schürze die Augen trocknete, „wird Innis später eine kräftige Brühe bringen, um ihn aufzumuntern. Und jetzt sollten wir für AnnaClaire und Conor ein herzhaftes Mahl bereiten lassen. Sie haben eine anstrengende, gefährliche Reise vor sich."
Mistress Finn, die schon die ganze Zeit neben der Tür ge standen und jedes Wort unter Seufzen und Stöhnen aufge nommen hatte, bekreuzigte sich zum wiederholten Mal, knickste und verschwand.
Pater Malone hatte die ganze Zeit kein einziges Wort ge sagt, sondern die Vorgänge um sich herum aufmerksam beobachtet. Besonderes Augenmerk hatte er auf AnnaClaire und Innis gelegt. Er machte sich so seine Gedanken, wie sich die Beziehung zwischen diesen beiden wohl weiterentwickeln würde. Innerhalb weniger Stunden hatte sich die Einstellung des Jungen gegenüber der Engländerin von abgrundtiefem Hass in das Bedürfnis, sie zu beschützen, verwandelt.
Vielleicht verband die beiden, dass sie gleichermaßen Außenseiter auf Ballinarin waren, die zu ihrem eigenen Schutz dorthin gebracht worden waren. Doch Pater Malone glaubte, dass Innis' verändertem Verhalten sehr viel tiefere Ursachen zugrunde lagen.
In seinem langen Leben hatte der Priester wahrscheinlich jede Spielart und Nuance der menschlichen Natur gesehen, und er vermutete sehr stark, dass Innis seit jenem furchtbaren Tag, an dem seine Familie ausgelöscht worden war, ein schreckliches Schuldgefühl mit sich herumschleppte, weil er nicht stark genug gewesen war, seine Mutter vor ihrem grauenvollen Tod zu bewahren.
Er hatte nicht nur hilflos mit ansehen müssen, was gesche hen war. In der Erinnerung durchlebte er die Ereignisse jenes Tages immer wieder, ohne dass es für ihn jemals die Möglichkeit gab, den Bildern in seiner Phantasie zu entfliehen.
Vielleicht sah Innis in dem Zusammentreffen mit Anna Claire die Chance, seine vermeintliche Schuld zu tilgen, indem er dieses Mal alles tat, um eine Frau vor allen Gefahren zu schützen.
Es konnte allerdings auch sein, dass der Junge anfing, in AnnaClaire die Mutter zu sehen, die er auf so tragische Weise verloren hatte.
Pater Malone schüttelte den Kopf. Inständig hoffte er, dass Innis' Mut niemals auf die Probe gestellt werden würde. Denn dann stand zu befürchten, dass er eher sein Leben hingeben als noch einmal seine Schwäche und eine daraus resultierende Niederlage eingestehen würde.
„Gute Reise", flüsterte Moira und küsste AnnaClaire auf die Wangen.
„Gott möge Euch schützen", fügte Pater Malone hinzu und hob die Hand, um Conor und AnnaClaire zu segnen.
Die beiden stiegen auf ihre Pferde und schickten sich an, den langen Ritt nach Dublin anzutreten. Ein Wagen mit ihren Seekisten war bereits unterwegs. Darin saß auch Velia, die mit nach London reisen sollte, um AnnaClaire als Zofe zu die nen.
Diese sah sich im Hof um. Das gesamte Dienstpersonal von Ballinarin hatte sich versammelt, und viele Dorfbewohner waren von ihren Feldern gekommen, um
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