HISTORICAL Band 0272
Dienstboten, noch dazu in Anwesenheit Ihres Sohnes, ein vertrauliches Gespräch zu führen“, sagte Bel nachdenklich. „Haben Sie den Wunsch, ihn zu heiraten?“
„Ja.“ Das Wort war ihr entschlüpft, ehe sie nachdenken konnte. Natürlich war das ihr Wunsch.
„Nun, er kann der Großherzoginwitwe kaum einen Heiratsantrag machen. So etwas wäre ein grober Verstoß gegen die Etikette. Also müssen Sie ihm Ihre Liebe gestehen und ihm einen machen.“
„Und wenn er ablehnt?“ Eva schloss die Augen und wand sich innerlich. Ihr war, als könne sie seine kühle tiefe Stimme hören, wenn er seine Erheiterung über dieses ungeheuerliche Ansinnen hinter einer höflichen Maske kaschierte.
„Und wenn er Ja sagt?“, konterte Bel. „Woher wollen Sie das wissen, wenn Sie es nicht versuchen. Glauben Sie mir, Sebastian ist viel zu stolz, um eine Frau umzustimmen, die ihm klar zu verstehen gab, dass sie keine zweite Bindung einzugehen wünscht. Das haben Sie doch getan, oder?“
„Natürlich! Ich hätte ihn niemals dazu bewegen können, eine Affäre mit mir zu beginnen, wenn er das Gefühl gehabt hätte, ich würde mich in ihn verlieben. Warum lächeln Sie?“, fügte sie indigniert hinzu. Bels Lippen umspielte ein belustigtes Schmunzeln.
„Über den Gedanken, dass mein begehrter Bruder darum gebeten werden muss, eine Liebschaft mit einer schönen Frau zu beginnen“, erklärte sie freimütig.
„Er ist ein Lebemann, stimmt’s?“ Das hatte er angedeutet, aber irgendwie hatte Eva dabei mehr an Glücksspiele, Pferderennen und hohe Schneiderrechnungen denken wollen, weniger an Mätressen und Freudenmädchen.
„Ja, und das ist sicher schockierend für Sie“, bestätigte seine Schwester. „Aber irgendwie zweifle ich daran, dass er diesmal anderweitig Trost sucht.“
„Aha.“
„Und Ma’am …“
„Eva. Bitte nennen Sie mich Eva.“ Irgendwie hatte diese Fremde im Verlauf dieses Gesprächs ihre Sympathien gewonnen, und Eva hätte sie gern zur Freundin gehabt.
„Gut, Eva. Es gibt etwas, das Sebastian Ihnen niemals anvertrauen würde, aber wenn ich schon indiskret über einen meiner Brüder mit Ihnen spreche, so kann ich auch über beide offen sprechen. Unser Halbbruder …“
„Der Duke?“
„Ja. Charles. Er wird niemals heiraten. Eines Tages wird Sebastian möglicherweise seine Nachfolge antreten – schließlich ist er zehn Jahre jünger. Aber wenn Sie einen Sohn mit ihm hätten, ginge der Titel mit Sicherheit auf ihn über.“
„Ist der Duke krank? Ist er irgendwie behindert? Geistig verwirrt?“
„Charles interessiert sich nicht für Frauen, wenigstens nicht in erotischer Beziehung. Verstehen Sie?“
„Aber ja.“ Louis hatte ihr einmal gewisse widernatürliche Neigungen mancher Männer erläutert. „Aber das ist doch illegal?“
„Ja. Da sehen Sie, wie sehr ich Ihnen vertraue?“
„Ich kenne einen Fall, in dem der Mann trotzdem geheiratet hat, um einen Sohn und Erben in die Welt zu setzen.“
„Charles lebt seit acht Jahren völlig abgeschieden auf seinem Landsitz in Northumberland, und zwar glücklich und zufrieden mit seinem Geliebten, der als Gutsverwalter bei ihm angestellt ist – jedenfalls für die Außenwelt“.
„Aha.“ Eva dachte darüber nach. „Aber mir ist ein Titel doch völlig unwichtig.“
„Gut.“ Bel strahlte. „Aber für Sebastian spielt er unter Umständen eine Rolle. Er hat zwar nie darüber gesprochen, weil er Charles sehr schätzt, aber ganz ist es nicht von der Hand zu weisen.“
„Wollen Sie damit sagen, ich soll mit ihm reden und ihm tatsächlich einen Antrag machen?“ Ein zutiefst beängstigender Gedanke. Und sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie reagieren würde, wenn er Ja sagte.
„Ich könnte ihn überreden, mich zu Lady Letheringsetts Maskenball zu begleiten, der in zwei Tagen stattfindet. Und wenn Sie es nicht schaffen, ihn in ein abgelegenes Gemach zu entführen und die große Tat zu vollbringen, dann kann ich euch beiden auch nicht mehr helfen.“
„Aber bin doch gar nicht eingeladen.“ Mit ihrem strategischen Geschick erwies Bel sich ebenso unwiderstehlich wie ihr Bruder.
„Begleiten Sie mich, und ich stelle Sie vor. Lady Letheringsett ist gewiss heute Abend anwesend. Und sie wird Sie einladen, davon bin ich überzeugt.“
„Aber wenn Jack von meiner Anwesenheit erfährt, erscheint er nicht.“
„Vertrauen Sie mir.“ Bel schmunzelte. „Ich werde ihm gegenüber ausführlich meine Enttäuschung kundgeben, dass die faszinierende
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