HISTORICAL Band 0272
ausführt, wenn er sich in Jack Ryder verwandelt, ist er kühl, gelassen und gleichmütig, aber hinter seiner Fassade blitzt immer noch dieser verwegene Funke der Lebensfreude. Als Sebastian ist er der herzlichste, liebenswerteste Bruder, den man sich vorstellen kann.“ Bel warf Eva wieder einen vernichtenden Blick zu. „Aber nun ist er verändert – sein Lachen ist verschwunden, seine innere Wärme ist nicht mehr da. Er besuchte mich, gab sich herzlich wie immer, aber ich spürte die Veränderung. Als ich ihn fragte, was mit ihm nicht in Ordnung sei, lachte er nur und sagte, er habe lediglich eine schwierige Mission in Frankreich hinter sich.“
„Na bitte, da haben Sie es doch“, warf Eva spitz ein.
„Also fragte ich Henry“, fuhr Bel fort, ohne auf ihren Einwurf zu achten. „Und von ihm erfuhr ich, dass sein Herr eine Affäre mit Ihnen hatte. Er sagte, ihr seid wie zwei Turteltäubchen gewesen und –“ Evas ausdruckslose Miene irritierte sie ein wenig. „Jawohl, zwei Turteltäubchen, ein Liebespaar“, erklärte sie gereizt. „Und Henry sagte auch, er habe Jack gewarnt, dass nichts Gutes dabei herauskommen würde.“
„Wenn Ihr Bruder es vorzieht, Ihnen nichts über sein Privatleben anzuvertrauen, so tue ich das natürlich auch nicht.“ Wie zwei Turteltäubchen … ein Liebespaar. Sie liebte ihn. Aber Jack … Wenn er sie lieben würde, wäre er nicht so sang- und klanglos aus ihrem Leben verschwunden.
„Empfinden Sie denn überhaupt etwas für ihn? Henry behauptet, er habe Ihnen das Leben gerettet.“
„Ja, das hat er.“ Plötzlich ertrug sie es nicht mehr, sie musste über ihn sprechen. Diese aufgebrachte junge Frau mit Jacks Augen empfand zumindest so viel für ihn, um sie während eines Empfangs in Carlton House in einen Frisierraum einzuschließen und zur Rede zu stellen.
„Ja, wir hatten eine Liaison. Und ich hatte nie zuvor eine Affäre, falls Sie vermuten, ich verliebe mich in jeden gut aussehenden Mann, der mir begegnet“, fügte sie angriffslustig hinzu. „Und ich musste ihn praktisch darum bitten, weil er so verflixt galant und zurückhaltend war. Wir beide wussten, dass unsere Liebschaft nur so lange dauern konnte, wie wir uns in Frankreich aufhielten – ich kann mir keinen Skandal erlauben. Und das war uns beiden bekannt.“
Bel beobachtete Eva schweigend. Wenigstens hatte sie aufgehört, sie so feindselig anzustarren. „Ich habe mich in ihn verliebt. Das war nicht meine Absicht, es war weiß Gott nicht meine Absicht. Ich konnte mich nicht dagegen wehren. Und ich liebe ihn sehr.“
„Und?“ Bel überlegte fieberhaft. „Natürlich hielten Sie ihn lediglich für einen Boten des Königs, einen besseren Leibwächter. Kein Wunder, dass sie ihm den Laufpass gaben, sobald Sie England erreichten.“
„Ich wusste, dass er mehr als ein Bote des Königs war. In Brüssel fand ich ihn im Adelsverzeichnis. Aber was macht das für einen Unterschied? Ich hätte ihn auch geliebt, wenn er der Sohn eines Fischhändlers wäre. Ich sagte Ihnen bereits – nicht ich habe ihn fortgeschickt, er ging. Er will nichts von mir wissen, sonst wäre er nicht so einfach verschwunden, ohne ein Wort des Abschieds, nur ein paar kurze Worte an meinen Sohn.“
Bel biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. „War er es denn wert?“, platzte sie heraus. „War es all das Herzeleid wert, ihn als Geliebten zu haben?“
„Ja“, entfuhr es Eva leidenschaftlich, dann fügte sie gedämpfter hinzu: „Ja. Aber er hat nie behauptet, dass uns etwas anderes verbindet als eine Affäre.“
„Sie meinen vermutlich, dass er es nie aussprach“, entgegnete Bel. „Haben Sie ihm gesagt, dass Sie ihn lieben?“
„Nein, natürlich nicht. Können Sie sich vorstellen, einem Mann Ihre Liebe zu gestehen, wenn Sie wissen, dass er sie nicht erwidert? Die Demütigung, die Verlegenheit und das Mitleid in seinem Gesicht zu lesen, wenn er sich mit taktvollen Ausflüchten herauswindet, das hätte ich nicht ertragen.“
„Aber woher wollen Sie wissen, dass er Sie nicht liebt? Ich weiß nicht viel über die Liebe. In meinen Gemahl war ich nicht verliebt, und ich habe mir nie einen Geliebten genommen. Aber ich kenne meinen Bruder. Er leidet Qualen. Und er sehnt sich nach Ihnen.“
„Warum ist er dann einfach verschwunden?“, wollte Eva wissen. „Darunter habe ich gelitten.“
„Vermutlich dachte er, ein rasches Ende sei die beste Lösung. Ich stelle mir vor, dass es nicht einfach gewesen wäre, in einem Haus voller
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