HISTORICAL Band 0272
Großherzogin Eva die Einladung abgelehnt hat. Und er wird sich ganz sicher fühlen. Und nun sehen wir zu, dass wir Ihren Federschmuck wieder zurechtrücken.“
„Ziehst du kein Kostüm für den Ball an?“, fragte Freddie enttäuscht, der es sich auf Evas Bett bequem gemacht hatte und zusah, wie Fettersham seiner Mutter das Haar hochsteckte.
„Nein, ich trage nur eine Halbmaske, und um Mitternacht werden die Masken gelüftet. Es ist kein wirkliches Kostümfest, zu dem die Gäste sich völlig verkleiden.“
Sie hielt sich die Halbmaske vors Gesicht, damit die Zofe die Bänder in ihre Hochfrisur binden und sie feststecken konnte. Es war ein hübsches Gebilde aus zarten goldbraunen Federn, das ihre Augen noch ausdrucksvoller und strahlender wirken ließ. Dazu trug Eva ein goldenes Seidenkleid und einen bernsteinfarbenen durchsichtigen Überwurf mit hochgeschobener Taille. Ihr Dekolleté, das ihren Busen erheblich betonte, ließ tiefe Einblicke gewähren. Heute Abend machte sie sich nur für Jack schön, der sie bislang nur in praktischen Kleidern oder Reithosen gesehen hatte. Es sollte eine Überraschung werden.
„Welchen Schmuck, Ma’am?“ Fettersham zeigte ihr die Auswahl, die der Juwelier geschickt hatte. Diamanten oder geschliffene Zitrine oder Bernstein, passend zu den Kupfertönen des Kleides. Nach einigem Zögern wählte Eva ein in Gold gefasstes Diamantcollier und ein dazu passendes Diadem fürs Haar. Sie war eine strahlende Erscheinung, genau wie sie es beabsichtigt hatte, ein Geschenk für den Mann, dessen Skrupel es zu zerstreuen galt. Sie hatte ihn schon einmal verführt, und nun beabsichtigte sie, dies ein zweites Mal zu tun – jetzt in ihrer Welt der Ballsäle und des höfischen Gepränges. Sie spürte, wie ihre Zuversicht wuchs. Er würde Ja sagen, daran wollte sie fest glauben.
„Mr. Ryder wird dein Kleid gefallen“, sagte Freddie im Brustton der Überzeugung.„Ich finde, dass du sehr hübsch aussiehst.“
„Danke, mein Schatz.“ Eva lächelte, dann stutzte sie. „Wieso denkst du, dass Mr. Ryder den Ball besucht?“
Freddie sah sie mit unschuldigem Engelsblick an. „Weil du so zappelig bist, Mama.“
„Frechdachs“, schalt sie schmunzelnd. „Marsch, ins Bett mit dir!“
Zappelig, wahrhaftig! Der kleine Schelm durchschaute sie, obwohl er noch keine Ahnung hatte, was sich zwischen Mann und Frau abspielen konnte. Genau wie sein Papa, dachte sie. Louis hatte immer gewusst, was in ihr vorging – nur dann nicht, wenn er seinen Kopf durchsetzen wollte, wie an jenem grässlichen Tag, als er sie in die unheimlichen Gewölbe unter der Burg geführt hatte. Sie konnte nur hoffen, dass ihr unschuldiger Sohn nicht ahnte, was ihr durch den Kopf ging, wenn sie an Jack dachte.
„Sie sehen fabelhaft aus in diesem Kleid!“ Lady Bel eilte auf Eva zu, sobald sie den Ballsaal betrat. „Und diese entzückende Maske – ich hätte Sie nicht erkannt, wenn ich nicht Ausschau nach Ihnen gehalten hätte. Ich bin überglücklich, endlich diese schwarzen Kleider nicht mehr tragen zu müssen, obwohl ich ein Donnerwetter von meiner Mutter zu erwarten habe, wenn sie davon erfährt. Eigentlich müsste ich noch vier Wochen Trauer tragen.“ Sie führte Eva durch den Ballsaal, der, geschmückt mit enormen Blumengebinden, im Glanz prächtiger Kristalllüster erstrahlte, ohne auf die angeregt plaudernden Gäste zu achten oder die Herren, die durch ihre Monokel die maskierten Damen betrachteten.
„War das nicht eine brillante Idee von mir?“ Bel beglückwünschte sich selbst, als sie einen prunkvollen Erker erreichten. „Wegen der Masken werden die Gäste nicht angekündigt, also kann Sebastian nicht den geringsten Verdacht haben.“
„Wo ist er denn?“ Eva reckte ihren Hals, um besser sehen zu können, was in dem Gedränge aber hoffnungslos war. Doch dann entstand eine Lücke in der Menge, und auf der anderen Seite des Saales entdeckte sie, an eine Säule gelehnt, einen hochgewachsenen dunkelhaarigen Herrn. Er trug elegante schwarze Kleidung, und eine schlichte Seidenmaske, ebenfalls in Schwarz, bedeckte seine Augen. Das blütenweiße Hemd bildete den einzigen hellen Kontrast. Sie hätte ihn unter Tausenden erkannt, und hinter seiner lässigen Haltung, seinem höflichen Lächeln war zu spüren, dass er sich deplaziert fühlte. Dieser Ball bedeutete für ihn eine Strafe, die er nur seiner Schwester zuliebe ertrug.
„Er musste mir hoch und heilig versprechen, dort an der Säule auf mich zu warten“,
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