HISTORICAL Band 0272
war, überraschte sie.
„Dienerschaft? Ich hoffe, meine Leute arbeiten! Hier im Gebäude gibt es kaum etwas zu tun. Aber Orvie wird überall herumerzählen, dass wir da sind. Nach und nach werden die Leute aus der Gegend sicher aus Neugier hier vorbeikommen. Ich fürchte allerdings, dass Orvie deine Anwesenheit über den Stein vergessen hat.“
„Ich bin noch nie so vollkommen ignoriert worden!“, gestand Susanna ihm lachend.
Er lächelte sie an. „Mir gefällt es, wenn du lachst. Bewahr dir deinen Humor.“
Nun, das klingt einschüchternd, dachte Susanna. James öffnete die große Eingangstür im Verbindungsgebäude und trat beiseite, um sie einzulassen. Susanna schritt durch einen kleinen Vorraum, eine Art Windfang, – und wähnte sich dann in einer anderen Welt. Verwundert blieb sie stehen und sah sich um. „Oh … das ist ja … das ist wunderschön!“, flüsterte sie. „Wie beeindruckend.“
„Beeindruckend?“, meinte James ungläubig, der hinter ihr in die Eingangshalle getreten war. Auch er blickte sich um. Hatte sich etwas verändert?
„Aber ja!“ Obwohl sie die Worte hauchte, hallten sie von den Wänden der hohen Halle wider. „Es wirkt so … altertümlich. So … mittelalterlich. Wie wunderwunderschön!“
James murmelte etwas, das wie „Über Geschmack lässt sich streiten!“, klang, bevor er Susanna am Arm nahm und sie quer durch die düstere Halle führte. Durch schmale hohe Fenster zu beiden Seiten des riesigen Kamins fiel Licht in den Raum. Susanna sah an den unverputzten Bruchsteinwänden nach oben zur mächtigen Decke, die sich wie ein gotisches Kirchenschiff über ihr wölbte.
Wie romantisch! Eine Vision von einem riesigen Feuer im Kamin auf der anderen Seite der Halle tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Lange schmale Tische standen davor, alle mit weißen Tüchern, großen Bratenschüsseln, Brotkörben und Schalen voller Früchte bedeckt. Aus Silber getriebene Becher funkelten im Feuerschein. Bunt gewandete Damen und Ritter in silbern glänzenden Rüstungen hatten hier vor langen Zeiten gestanden … Und Schwerter, große blitzende zweischneidige Schwerter hingen in der Apsis über dem Kaminsims …
„Eine leere Leinwand“, murmelte sie. Jemand hatte den Raum geleert, damit sie ihn mit ihren eigenen Träumen füllen konnte. Inständig hoffte sie, dass auch der Rest des Gebäudes so war. „Einfach bezaubernd“, wiederholte sie schwärmerisch.
„Geht es dir gut?“, erkundigte sich James besorgt.
Sie verdrängte alle Gedanken an künftige Taten und blickte ihn an. „Oh, mir geht es wirklich hervorragend.“
Susanna senkte den Blick. Urplötzlich wusste sie, wie er vor Jahrhunderten ausgesehen hätte, in einem weiten weißen Hemd und in die Farben seines Clans gewandet, mit dem Breitschwert in der Hand und zum Kampf bereit. Sie errötete.
„Hier geht es zur Küche – wenn dich das interessiert“, meinte er vorsichtig.
Susanna seufzte und folgte ihm. „Du kannst einem wirklich jeden Spaß verderben!“
Sehr bald sollte sie feststellen, dass das nicht stimmte. Jeder Schritt, den sie in Galioch machte, war ein Vergnügen für sie – bis sie Hilda begegnete.
Gerade als James Susanna das Zimmer seiner Mutter zeigte, erklangen Schritte auf der steinernen Wendeltreppe, die die einzelnen Stockwerke miteinander verband. Hilda kam heraufgestampft und brach über sie herein wie ein Albtraum.
„Also wirklich, James! Deine Weibsbilder mit nach Hause zu bringen! Die kommt mir aber nicht in das Bett deiner Mutter!“, zeterte die alte Frau in fast unverständlichem Englisch und mit einer erstaunlichen Lautstärke. „Nicht in diesem Haus! Das lasse ich nicht zu!“ Sie fuchtelte mit ihrem dicken Finger gefährlich nahe unter James’ Nase herum.
„Hilda, beruhige dich“, bat er sie, während er nach der Hand der alten Frau griff. Hilda war so rot im Gesicht, dass er Angst hatte, sie würde einen Herzanfall erleiden.
„Das ist meine Frau, kein Techtelmechtel. Ich würde doch nie …“
„Frau? Was hast du gesagt, Junge? Du hast geheiratet?“
„Ja“, sagte James mit einem gezwungenen Lächeln und ließ Hildas Hand sinken. „Lady Susanna, das ist meine Amme. Und das ist meine Frau, Lady Susanna, Hilda. Wir haben uns in Edinburgh trauen lassen.“ Er zog Susanna an sich.. Es war ihm nicht klar, ob er mit dieser Geste Susanna oder sich selbst schützen wollte.
Misstrauisch kniff Hilda die Augen zusammen. „Und aus welcher Familie stammst du, Mädel? Sag nicht,
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