HISTORICAL Band 0272
mussten. Die Landwirtschaft bot in dieser Gegend nur wenigen Männern im Alter zwischen sechzehn und vierzig Jahren ein Auskommen.
Doch was trugen die Leute in den Säcken und Beuteln, die sie geschultert hatten? Plötzlich ergriff ein mulmiges Gefühl von James Besitz. Wollten die Besucher Susanna etwa steinigen? Nein, dachte James, das kann nicht sein. Aber es sah aus, als hätten sie ihr ganzes Hab und Gut zusammengerafft. Wollten seine Leute Galioch verlassen und sich auf den Weg an die Küste machen, nur weil er eine Engländerin geheiratet hatte? Seine Mutter war hier nicht sehr beliebt gewesen und ihre englischen Freunde auch nicht, woran er sich nur zu gut erinnern konnte.
Doch als die Menschen näher kamen, sah er sie lächeln. Sogar Hilda strahlte triumphierend über das ganze Gesicht.
„James, mein Junge!“, rief der alte Bertram und stürmte auf ihn zu wie ein angriffslustiger Widder. Bevor James wusste, wie ihm geschah, hatte ihn Bertram in die Arme geschlossen. Mittlerweile war der Lärm ohrenbetäubend geworden. James bekam fast keine Luft mehr, so viele Leute drängten sich auf einmal an ihn heran und schlugen ihm freundschaftlich auf die Schulter.
Als er wieder atmen konnte, lachte er erleichtert auf: Offensichtlich freuten sich alle darüber, dass er wieder zu Hause war. Er hatte sich ganz umsonst Sorgen gemacht. Inzwischen hatten ihn die Männer – Bertram, Will und Doug – hochgehoben und trugen ihn auf den Schultern durch die Eingangstür. James musste den Kopf einziehen und schlug dennoch gegen den hölzernen Türrahmen. Die Kinder quietschten und schrien aufgeregt.
Laut riefen die Männer nach der Braut. James hoffte, dass Susanna die Tür zu ihrem Zimmer rechtzeitig verriegelte, als ein paar der rauen Gesellen nach oben stürmten. Er versuchte, zu Boden zu springen, was ihm aber nicht gelang. Alt und Jung tanzte mit dem Herrn von Galioch auf den Schultern ausgelassen zum Klang einer Geige, die nun aufspielte. Und Angus blies in den Dudelsack, was seine Lungen hergaben.
Es sah nach einer spontanen Feier aus. Das war schon öfter bei seiner Rückkehr der Fall gewesen, aber heute waren alle noch sehr viel aufgekratzter als sonst. James’ Blick fiel auf Hilda, die ihn breit anlächelte. Er erwiderte das Lächeln und hoffte, dass seine Amme nicht voller Häme war. Wenn sie Susanna Schwierigkeiten machte, würde er sie von Galioch verbannen, noch bevor der Tag vorbei war.
Plötzlich waren Susannas schrille Schreie über den Trubel hinweg bis in die Halle zu hören. Offenbar hatten die Männer sie gefunden. Nun, das war keine große Kunst – nur zwei Räume im Haus waren bewohnbar. Mit einem Mal stieg Angst in ihm hoch. Was, wenn Susanna sich weigerte, mitzukommen? Sie würden sie doch nicht die Treppe hinunterstoßen?
„Lass mich runter, Will!“, brüllte er und riss am spärlichen Kopfhaar des Webers. „Meine Frau kriegt sonst noch Angst vor euch!“
Alles lachte. „Habt ihr diesen Witzbold gehört?“, rief der Weber. „Er meint, sein Mädel hätte mehr Angst vor uns als vor Hilda!“ Lautes Gelächter war die Antwort.
Spielerisch boxte James nach dem Kopf des Schmieds. „Nun lass mich schon runter! Das ist ein Befehl!“
Prompt ließ Will ihn fallen, sodass James unsanft auf seinem Allerwertesten landete, während ein kleines Mädchen ihn fröhlich anblickte. Hätte nicht einer der Umstehenden nach seinem Arm gegriffen, hätte James sich auf dem harten Steinboden das verletzte Bein gebrochen. „Mistkerl!“, schnaubte James leise, doch dann erstarrte er. Die lachende Menge um ihn herum teilte sich, und Susanna stand vor ihm. Ihre roten Locken hingen ihr wild ins Gesicht, und ein Blumenkranz thronte schief auf ihrem Kopf, wobei eine Blüte über ihrem linken Auge baumelte.
Urplötzlich verebbte der Lärm. Alles drängte noch näher, gespannt, was passieren würde. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Susanna hob lässig die Hand, zupfte eine Blume aus dem Kranz, beugte sich hinunter zu James und steckte ihm die Blüte ins Haar. Dann richtete sie sich auf, warf einen vergnügten Blick in die Runde und lachte fröhlich. „Mein Mann will die Feier offenbar aussitzen!“ Mit der Linken griff sie nach der Hand des Nächststehenden, mit der rechten Hand bedeutete sie Bobby aufzuspielen. Das Fest begann.
Mein Gott – sie scheinen sie zu akzeptieren, dachte James ergriffen.
Eilig zog er seine Füße an und stand mühsam auf. Sofort wurde er in den Kreis der
Weitere Kostenlose Bücher