HISTORICAL Band 0272
ja?“
Dinger ? Susanna war verwirrt. Eine Frage führte zur nächsten, so war es immer. Vielleicht wusste James ja über die ominösen Dinger Bescheid. Wenn er doch nur nicht so unerfahren wäre! Ach, der arme James!
Er war so zornig gewesen, als er gegangen war. Wieder sah sie die Skulptur an, die auf dem Teetisch stand, und versuchte, sie unvoreingenommen zu betrachten. Das Marmorgesicht drückte eine Vielzahl von Gefühlen aus – Entschlossenheit, Wut, Ärger. Die glatt polierte Oberfläche der Skulptur wirkte sehr sinnlich. Egal, was James behauptete, dies war ein Kunstwerk. War er sich seiner Fähigkeiten vielleicht gar nicht bewusst?
Dennoch: Er hatte nie ihre verzerrten Ansichten korrigiert. Bis vorhin war James immer bemerkenswert geduldig und liebenswürdig ihr gegenüber gewesen. Er hatte sie in Frieden gelassen, wenn sie das wollte. Er hatte ihr zugehört, wenn sie sich mit ihm unterhalten wollte. Er schien sie zu akzeptieren, so wie sie war, und sie vertraute ihm. Selbst wenn sie ihn mittlerweile nicht so sehr lieben würde, wäre das genug, um zufrieden zu sein. Konnte sich eine Ehefrau mehr wünschen als einen Gatten wie James? Sie musste sich bei ihm dafür entschuldigen, dass sie sich in seine Angelegenheiten eingemischt hatte. Wenn er kein Künstler sein wollte, so war das seine Entscheidung, die sie nichts anging.
Entrüstung und logisch geführte Debatten waren angebracht, wenn es um ein moralisches Dilemma wie das der ungerechten Gesetzgebung oder die Frauenfeindlichkeit der Gesellschaft ging. Aber im Privaten, dachte Susanna, hat die gefühlsarme Logik keinen Platz. Sie musste James gegenüber mehr Respekt zeigen, auch wenn sie manchen seiner Charakterzüge nicht verstehen konnte.
Nachdenklich blickte sie in die leere Teetasse. Waren ihre Auftritte wirklich von Logik geprägt gewesen? Sie erinnerte sich an ihren unbändigen Zorn, der sie jedes Mal schier überwältigte, wenn sie an die unhaltbare Rechtslage in England dachte. Nein, sie hatte nicht logisch agiert. Sie war zornig gewesen. Doch wenn sie der Öffentlichkeit mit einem Lächeln entgegenträte, würde ihr nicht eher Gehör geschenkt werden, als wenn sie die Faust ballte? Vielleicht war die Taktik ihrer Mutter auf einer höheren Ebene ja ebenfalls von Erfolg gekrönt. Die Stimme der Vernunft statt die Stimme der An klage sein … Ich muss gar nicht die wütende Revolutionärin, die mahnende Stimme des Verderbens, die beharrliche Reformerin spielen, dachte sie erstaunt. Natürlich musste sich etwas in der Welt verändern. Aber auch ich muss mich verändern, erkannte Susanna. Ja, das würde sie tun. Sie würde sanft beharren, sanft lehren und mit einem ruhigen Lebenswandel ein Beispiel für andere setzen. Die Stimme der Vernunft würde irgendwann Gehör finden …
Als sie ein zaghaftes Klopfen an der Tür hörte, schrak Susanna aus ihren Gedanken hoch. „Das wird wohl Thomas mit dem Abendessen sein. Hast du schon etwas gegessen, Vater?“
Gedankenverloren schüttelte er den Kopf.
Susanna ging zur Tür.
„Thomas?“, fragte sie und lauschte.
„Ja, Mylady“, klang es gedämpft durch die Tür.
Susanna drückte die Türklinge nach unten, ärgerlich, weil sie vergessen hatte, abzuschließen, nachdem James gegangen war.
Urplötzlich schwang die schwere getäfelte Tür nach innen. Sie wurde an die Wand gedrückt. Starke Arme umfingen sie, bevor sie ihr Gleichgewicht wiedererlangt hatte. Eine Hand presste sich auf ihren Mund. Dann wurde die Tür geschlossen.
„Na sieh mal an, wen wir da haben“, sagte Frank Colin gehässig. „So sehen wir uns also wieder, Lady Susanna.“ Er nahm die Hand von Susannas Mund und deutete mit der Pistole auf den Sessel.
„Setzen Sie sich nur wieder, Lord Eastonby. Und halten Sie den Mund. Sonst sind Sie ein toter Mann.“
20. KAPITEL
Susanna warf Miranda, die hinter Mr. Colin ins Zimmer gekommen war, einen erschreckten Blick zu. Eine dumpfe Ahnung stieg in ihr auf: „Wir warten noch auf meinen Mann?“
„Richtig“, bestätigte Miss Durston und nickte. Sie lächelte Frank Colin an, dann Susanna. „Und dieses Mal, meine Liebe, wirst du ihn zum letzten Mal deinen Mann nennen können. Brodie war viel zu weichherzig und dumm.“
„Ich entnehme deinen Worten, dass er nicht die Absicht hatte, uns zu töten“, vermutete Susanna. „Du hast dich seiner also entledigt? Hast du Mr. Colin nicht gewarnt, dass auch körperliche Intimitäten keine Garantie dafür darstellen, dass man dich
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