HISTORICAL Band 0272
schlecht.“ Er seufzte. „Deswegen war ich ein paar Tage auf den Orkneys. Du weißt ja, dass das sonst in Durstons Aufgabenbereich fällt.“
„Hast du Mr. Durstons Wunden selbst gesehen?“
Verwirrt sah der Earl seine Tochter an. „Wenn du so fragst – nein. Ich habe bei ihm vorgesprochen, aber seine Haushälterin sagte mir, dass er noch immer bettlägerig sei und nicht in der Verfassung, Besucher zu empfangen. Was willst du damit andeuten?“
„Miranda hatte eine Kamee an der Kette, mit Miniaturen von sich und ihrem Vater. James hat Mr. Durston sofort als denjenigen identifiziert, der den Anschlag geplant hat.“
„Was ist mit seiner Tochter – Miranda? Gott, ich hätte nicht in ihren Besuch bei euch einwilligen sollen! Aber Mr. Durston hat mich schriftlich um Schutz ersucht. Miranda hat den Brief persönlich vorbeigebracht. Was für ein ausgemachter Schuft! So lange sind wir schon Partner, und auf einmal … Wie kann ein Mensch nur …“ Er brach ab.
Es machte Susanna traurig, das Mienenspiel ihres Vaters zu sehen. Sie senkte die Lider und seufzte. „Es sind drei Schufte, wenn du diesen schrecklichen Cousin von Miranda mit dazurechnest, diesen Broderick Fowler. Die beiden haben während ihres Besuchs nach Kräften versucht, James und mich gegeneinander auszuspielen. Und wie sich Miranda an James herangemacht hat …“
„James wird doch nicht …“
Susanna lächelte. „O nein, da bin ich mir ganz sicher. Mr. Fowler hat ihn angeschossen, weißt du.“
Ihr Vater schrak von seinem Stuhl hoch. „ Was hat der Bursche getan?“
Beschwichtigend hob sie die Hand. „Er hat James mit der Schrotflinte angeschossen. Es war nur Vogelschrot – aber es hätte schlimmer sein können.“
Susanna beschloss, ihren Ausflug auf die Brüstung von Galioch ihrem Vater gegenüber nicht zu erwähnen. Mittlerweile wusste sie, dass sie dort oben dem Tod näher gewesen war, als sie geahnt hatte. Sie würde auch keiner Menschenseele erzählen, dass Mr. Fowler ihr zwei Mal vorgeschlagen hatte, ihn um Mitternacht allein zu treffen. Manches musste eine Frau für sich behalten. Sie wollte nicht, dass James aus purer Eifersucht die Beherrschung verlor.
„Du hättest sehen sollen, wie James sie schließlich dazu bewegen konnte, abzureisen“, fügte sie mit einem gezwungenen Lächeln hinzu.
„Lieber nicht! Ach, Susanna, wie schrecklich das alles ist. Ich werde umgehend dafür sorgen, dass Mr. Durston und seinen Helfershelfern der Prozess gemacht wird.“ Besorgt sah er sie an. „Wie geht es dir sonst? Ist Garrow gut zu dir?“
Sie lächelte. „Er ist der beste Mann, den man sich wünschen kann. Du hast eine hervorragende Wahl für mich getroffen, Vater. Er hat sich nur gerade schrecklich über mich aufregt, wegen …“
Ihr Vater warf einen Blick auf die Skulptur. „Der Figur hier?“, vollendete er ihren Satz.
„Ja. Ich habe sie ohne sein Wissen an Monsieur Aubert, einen bekannten Kunsthändler, geschickt. Monsieur Aubert sollte ihren Wert für mich schätzen. James hat die Skulptur gemacht, weißt du.“
„James hat die Skulptur gemacht? Das überrascht mich. Er wirkt gar nicht wie ein Künstler.“
„Oh, er ist sogar ein sehr gefragter Künstler, wenn man Monsieur Aubert Glauben schenken darf. Allerdings habe ich diese Figur falsch gedeutet. Und deswegen ist James jetzt zornig. Und natürlich auch deswegen, weil ich sie schätzen ließ, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu fragen.“
„Interessant. Wieso hast du die Statue falsch interpretiert?“
„Ich dachte, sie symbolisierte die Schwierigkeit, die es Frauen bereitet, sich aus ihrer Knechtschaft zu befreien.“
Der Earl lachte laut auf. „Ach, Susanna! Du lernst es auch nicht mehr!“
„Nun, ich habe eben das darin gesehen.“
„Mein liebes Mädchen“, sagte er trocken und nahm ihre Hand.
„Glaubst du, nur weil ich eine Frau bin, habe ich zu wilde Vorstellungen? Nun, ich war nicht die Einzige, die dieser Skulptur mehr Bedeutung zumaß, als sie hat.“ Sie erklärte, wie Monsieur Aubert und Thomas Snively auf die Figur reagiert hatten.
Ihr Vater nickte. „Das zeigt nur wieder, wie sehr unsere Wahrnehmung von Vorurteilen und unseren jeweiligen Lebenserfahrungen geprägt ist, Susanna. Ich als welterfahrener Mann bin natürlich über so etwas erhaben.“
Susanna schmunzelte. „Natürlich, Vater.“
Völlig ernsthaft fuhr der Earl fort: „Nimm deine Weltsicht: Du behauptest, du würdest unterdrückt werden. Ich verstehe nur nicht, warum du das
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