HISTORICAL Band 0272
einfach etwas tun. Selbst wenn ich weiß, dass es falsch ist. Verrückt, oder?“
„Ob du mir glaubst oder nicht, ich kann das durchaus verstehen“, meinte er leise und streichelte sie.
Seine Mutter hatte auch oft so verzweifelt ausgesehen, wie Susanna manchmal dreinblickte, fiel ihm ein. Warum war ihm das nicht schon früher aufgefallen? Dabei hatte er so viel Zeit damit verbracht, die beiden miteinander zu vergleichen. In diesen Vergleichen hatte seine Mutter immer sehr schlecht abgeschnitten. Versonnen strich er über Susannas Arm. Hatte er ihr Unrecht getan?
Nachdem seine Mutter geheiratet hatte, war sie aus London in die Highlands gekommen, so wie Susanna auch. Aber Christine Williamson war gerade erst achtzehn Jahre alt gewesen, als sie in den Stand der Ehe getreten war. Wie einsam sie in Galioch gewesen sein musste! Sein Vater war ziemlich introvertiert gewesen, und Schotten hießen Ausländer in der Regel nicht sehr herzlich willkommen.
Kein Wunder, dass sie sich schon nach kurzer Zeit mit Leuten umgab, die ihr gewogen waren. Das hätte wohl jeder getan. Lange hatte er gedacht, dass sie wenig wählerisch gewesen war, was ihren Umgang anging. Aber sie hatte vermutlich verzweifelt Einladungen gegenüber jedem ausgesprochen, der ein wenig Landluft im bescheidenen Rahmen von Galioch schnuppern wollte. Es war ihr wichtig gewesen, Unterhaltung zu haben.
Als sie dann mit neunzehn Jahren einen Sohn bekommen hatte, musste ihr das wie eine Fessel vorgekommen sein, die sie für immer an Galioch band.
Glücklicherweise war er selbst ein wenig überlegter gewesen als seinerzeit sein Vater. James hatte sich fest vorgenommen, dass Susanna diese Ehe nie bedauern sollte. Sie war nicht seine Mutter. Susanna war nicht nur älter, einfühlsamer, sie hatte auch ein Ziel im Leben. Und sie liebte ihn. Das galt es zu bewahren, auch wenn er dafür Kompromisse schließen musste.
„Ich werde tun, was immer ich kann, um dir das Leben einfacher zu machen, Susanna“, meinte er zärtlich.
„Du würdest also meine Wissenslücken schließen?“, fragte sie zögernd. „Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich über irgendetwas nicht Bescheid weiß, James. Würdest du mir von diesen …. davon erzählen, wie man es verhindern kann, Kinder zu bekommen?“ Errötend schaute sie ihn an.
Am besten würde es sein, knapp und direkt die wesentlichen Tatsachen zu benennen, dachte James. „Nun, da gibt es die so genannten Pariser …“
„Das soll wohl ein Witz sein“, unterbrach Susanna ihn. „Was hat das denn mit irgendwelchen Franzosen zu tun?“
„Dann hör mir zu“, sagte er. „Die Dinger passen über … über das männliche Geschlecht und … äh … fangen den Samen auf.“
„Nein, James! Sprich bloß nicht weiter!“
„Du wolltest, dass ich dir das erkläre!“, verkündete er verwundert über ihre plötzliche Scheu. „Es gibt noch einen anderen Ausdruck dafür, hat man mir erzählt: Redingote anglaise .“
„ Englischer Reitrock ?“ Verwirrt zog Susanna die Augenbrauen hoch.
James wühlte in seiner Westentasche, zog ein Päckchen hervor und drückte es ihr in die Hand. „Da. Sieh es dir selber an.“
Verlegen beobachtete er, wie sie das Einwickelpapier löste und das Ding vorsichtig untersuchte. Es war eines der neuesten Produkte, ganz aus Kautschuk gemacht. Susanna warf ihm einen peinlich berührten Blick zu. „Und das soll funktionieren?“
Er zuckte mit den Achseln. „Das hat man mir gesagt.“
„Aha. Du hast das also noch nie ausprobiert“, entgegnete sie. Es war keine Frage, es war eine Feststellung.
James wand sich. Dies war nicht der Zeitpunkt, von den Frauen zu sprechen, die es in seinem Leben gegeben hatte. Offenbar ging Susanna davon aus, dass sie seine erste Frau war. „So viel ich weiß, ist das besser, als sich auf Kräuter zu verlassen. Die können nämlich gesundheitsschädigend sein“, antwortete er vorsichtig.
„Soso“, sagte sie, nickte abgeklärt und verpackte das Ding wieder und gab es ihm zurück. „Vielleicht solltest du das aufheben, bis das Kind auf der Welt ist.“
So ein Pech aber auch, dachte er. Susanna glaubt immer noch, dass sie ein Kind empfangen hat! Es war schon erstaunlich, dass Frauen so gänzlich unwissend gehalten wurden, bis sie verheiratet waren. „Susanna, nicht jedes Mal führt unweigerlich zu einer Schwangerschaft. Bei manchen Leuten dauert es Jahre, bis sie ein Kind bekommen. Und soweit ich weiß, ist es beim ersten Mal unwahrscheinlicher als danach, ein
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