HISTORICAL Band 0272
Diener hob Eva mit so viel Respekt wie möglich vom Pferd und stellte sie sanft auf die Füße. „Und völlig durchfroren.“
„Versteck den Gaul! Ich habe ihn gestohlen. Du wirst ihn morgen irgendwo finden und der Polizei übergeben.“
Henry nahm den Befehl gelassen entgegen. Sein Verhalten spricht Bände über seine Erfahrungen mit Jack Ryder, dachte Eva in einem Anflug von Belustigung, obwohl sie von einer bleiernen Müdigkeit beherrscht wurde. Sie konnte nicht aufhören zu schlottern, sosehr sie sich auch bemühte. Und als Jack den Arm um sie legte und ins Haus führte, spürte sie auch sein Zittern.
„Rasch nach oben, bevor uns jemand sieht. Wenn de Presteigne noch lebt, wird er sich in allen umliegenden Gasthäusern nach tropfnassen Gästen erkundigen.“
Sie schlichen die Treppe hinauf wie ein heimliches Liebespaar, danach betraten sie das Zimmer. Ziemlich erleichtert suchte Eva Halt am Bettpfosten, Tränen stiegen ihr in die Augen. Jack lehnte sich gegen die geschlossene Tür, als vertraue er nicht mehr darauf, dass seine Beine ihn einen einzigen Schritt weitertragen würden. Das Zimmer war noch von den tagsüber eingefallenen Sonnenstrahlen warm, trotzdem reichte es nicht aus, die Kälte, die in ihre Knochen eingedrungen war, zu vertreiben.
„Ziehen Sie sich aus.“ Jack stieß sich von der Tür ab, schob Eva zum Wandschirm und zog im Vorbeigehen an der Klingelschnur. Eva nestelte mit klammen Fingern an den Knöpfen und Haken des nassen Kleides. Es klopfte. „Wir brauchen heißes Wasser und eine Badewanne. Es gibt mehr davon, wenn Sie sich beeilen.“ Sie hörte das Klimpern von Münzen, anschließend sich eilig entfernende Schritte.
„Hier.“ Ein großes Badetuch landete auf dem Wandschirm.
„Ich komme mit den Knöpfen nicht zurecht“, erklärte Eva ungeduldig. „Verflixt noch mal!“, zischte sie, als ein Fingernagel abbrach. Es war ihr plötzlich alles zu viel, sie wünschte sich zurück nach Maubourg, wollte ihre Zofen und Diener um sich haben, sehnte sich nach ihrem warmen flauschigen Morgenrock, nach einer Wärmflasche und ihrem weichen Bett. Sie wollte sich zusammenrollen, schlafen und alles vergessen.
„Ich helfe Ihnen, darf ich?“ Ein Schreckenslaut entfuhr ihr, als Jack zu ihr hinter den Paravent trat. Er hatte seine nassen Sachen ausgezogen und nur ein großes Leinentuch um die schmalen Hüften geschlungen. „Sie können die Augen getrost öffnen“, sagte er nach einer Weile in einem Ton, der zwischen Erheiterung und Gereiztheit schwankte. „Ich halte es für reichlich übertrieben, dass Sie lieber vor Kälte und Erschöpfung sterben wollen, als einen verbotenen Blick auf meinen nackten Oberkörper zu riskieren.“
„Ja, ja, natürlich.“ Eva bemühte sich, sachlich und kühl zu klingen, als sie die Augen öffnete und gleichzeitig versuchte, den Blick von ihm zu wenden. Es war lächerlich, unter den gegebenen Umständen so prüde und schamhaft zu sein. Jack war ihr Beschützer und ihr Freund. Es war ja nicht so, dass sie noch nie einen nackten Mann gesehen hätte – immerhin war sie neun Jahre verheiratet gewesen. Im Übrigen waren sie beide keineswegs in der körperlichen Verfassung, an etwas Unzüchtiges zu denken, geschweige denn, es tun.
Jack nestelte leise fluchend an den winzigen Knöpfen ihres Mieders, verlor die Geduld und riss es schlussendlich mit beiden Händen auf. Die Knöpfe sprangen in alle Richtungen und landeten klappernd auf dem Fußboden. „Jack!“
„Das Kleid ist ohnehin ruiniert“, erklärte er ungerührt und machte sich daran, ihr die Ärmel von den Schultern zu streifen.
„Ich … ähm … jetzt komme ich alleine zurecht.“
Er achtete nicht auf ihren Einwand, hob ihr die schweren nassen Röcke über den Kopf und warf das Kleid zu Boden. Dann stand er vor ihr, die Hände in die Hüften gestemmt, und betrachtete, wie sie zähneklappernd in Korsett, Hemd und Unterrock vor ihm stand.
„Sind die Bänder mit Schleifen gebunden, oder muss ich sie durchschneiden?“ Er prüfte die Verschnürung ihres Korsetts. Eva entfuhr ein spitzer Schrei. „Eine Schleife, sehr gut.“ Das Korsett landete auf dem nassen Kleid. In diesem Moment klopfte es wieder an der Tür. Eva zog sich zurück und überließ es Jack, die Prozession der Dienstboten zu dirigieren, die eine Zinnwanne und viele Eimer heißes Wasser hereinschleppten.
Sie spähte durch eine Ritze im Wandschirm und schmunzelte beim Anblick der Mägde, die über Jacks prachtvoll modelliertem
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