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Historical Band 298

Historical Band 298

Titel: Historical Band 298 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blythe Gifford Terri Brisbin
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angezogen, aber es war so schlicht und schäbig, dass sie genau die Blicke anzog, denen sie hatte ausweichen wollen. Aber glücklicherweise schenkte niemand dem einfachen Burschen, der an den Fersen eines College Masters klebte, einen zweiten Blick. Während Männer und Frauen achtlos an ihr vorbeieilten, musste Jane sich beherrschen, um nicht laut auszurufen: Wisst ihr denn nicht, wer ich bin? Wisst ihr nicht, dass ihr die Tochter des Königs überseht?
    Mit grimmigem Gesicht trug Duncan sein akademisches Gewand wie eine Rüstung. Auf dem Weg von Cambridge hierher war die Stimmung zwischen ihnen angespannt gewesen. Wie hätte sie denn ahnen können, dass er von ihr erwartete, ihn in dem Kampf gewinnen zu lassen? Sie hatte geglaubt, er würde sich darüber freuen, dass sie sich so gut verteidigen konnte.
    Sie zupfte ihn am Ärmel. „Schau. Der König.“
    Er folgte ihrem Blick. König Richard stand mit zwei Männern beisammen und lauschte aufmerksam ihren Worten.
    „Wer ist da bei ihm? Sind das Ratsmitglieder?“
    „Der Linke schon, Mowbray, der Earl of Nottingham.”
    Verstohlen musterte sie den Earl und war überrascht, dass ein so junger Mann im Rat sitzen konnte. Er schien nicht älter als Duncan zu sein. „Und der andere?“
    „Einer von Richards Beamten.“
    Sie starrte den Bediensteten an, der wichtig genug war, im Namen des Königs Erklärungen zu verfassen. Vielleicht war er im Begriff, in wichtiger Mission nach Böhmen oder Frankreich zu reisen.
    Neid stieg in ihr auf. Wie an einen vergessenen Traum erinnerte sie sich daran, wie aufregend es gewesen war, bei Hofe zu leben. Wichtige Persönlichkeiten versammelten sich, um wichtige Dinge zu tun. Hier war sie selbst wichtig gewesen.
    All das vermisste sie seither. Das war es, was sie sich wünschte: bedeutend zu sein. Für sie und Duncan könnte der Traum wahr werden, wenn nur …
    Vielleicht spürte er, dass man ihn beobachtete. Jedenfalls sah der König zu ihnen herüber.
    Jane fiel auf die Knie und hielt den Atem an, als der König sich ihnen näherte. Duncan neben ihr verbeugte sich.
    „Aha, da ist ja der Master mit seinem jungen Lateinschüler.“
    „Eure Majestät“, erwiderte Duncan mit einer erneuten Verbeugung. „Ihr botet mir an, meinen Fall dem Rat vorzutragen.“
    Die blauen Augen des Königs sahen ihn ausdruckslos an.
    „Wegen der Verteidigung der schottischen Grenzen. Und wegen meines Vaters.“
    „Ach ja.“ Jane bemerkte, dass der König sie anschaute anstatt Duncan. „Und wie steht es jetzt um dein Latein, junger Mann?“
    „Sehr gut, Eure Majestät. Master Duncan ist ein ausgezeichneter Lehrer.“
    „Davon bin ich überzeugt.“ Der König beachtete Duncan immer noch nicht. „Aber im King’s Hall College gibt es noch bessere Lehrer. Wie würde es dir gefallen, dort zu studieren?“
    Auf das King’s Hall College zu gehen, ein King’s Man zu sein – das war die Garantie für eine Stellung im Dienst Seiner Majestät.
    Duncan neben ihr erstarrte. „Eure Majestät, der Junge muss erst sein Latein verbessern …“
    Der König bedeutete ihm zu schweigen. „Lasst den Jungen antworten.“
    Jane war sprachlos. Alles, was sie sich gewünscht hatte, war auf einmal in Reichweite. Sie musste nur noch Ja sagen.
    Aber wollte sie das wirklich?
    Sie sah zu Duncan hin. Seine Augen blickten kalt wie Stein. Es war jetzt allein ihre Entscheidung.
    Versteckt hinter seinem schwarzen Gewand und seiner makellosen Sprache war er genau so verkleidet wie sie. Nur sie kannte den wahren Duncan: ein lustiger, eigensinniger, empfindsamer, musikalischer Mann aus dem Norden.
    Und nur er wusste, wer sie war.
    Nicht nur, dass sie eine Frau war, sondern auch, dass sie Ovid liebte und Konjugationen hasste. Dass sie von Bier aufstoßen musste und die letzte Note eines Trinkliedes länger halten konnte als er. Dass sie lachte, wenn er lustige Verse deklamierte, und auf der Innenseite ihres Arms, genau über dem Ellenbogen, eine empfindliche Stelle besaß. Tausend kleine Dinge, die ihr das Gefühl gaben, dass sie nur in seiner Gegenwart lebendig und vollständig und rundum zufrieden war.
    Aber das Einzige, das er nicht wusste, war vielleicht das Wichtigste: dass der verstorbene König, der für das King’s College Pate gestanden hatte, ihr Vater war.
    Doch wenn ein Leben für den König bedeutete, dass sie Duncan verlieren würde, dann war sie nicht bereit, diese Wahl zu treffen.
    „Eure Majestät ist sehr großzügig“, begann sie. Es musste ihr gelingen,

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