Historical Band 303
schimmernde Perle zwischen den Hügeln liegen. Erschöpft setzte er sich ins Gras und betrachtete die Burg.
Da hörte er hinter sich das Hämmern von Hufen.
Mit heftig pochendem Herzen sprang er hoch. Rüstungen blitzten auf. Soldaten!
Nein! Er konnte sich unmöglich gefangen geben. Nicht wieder. Nicht nach all den Jahren, in denen er das Leben eines Sklaven führen musste.
Mit zitternden Beinen wankte er den Hügel hinunter. Aber sein geschwächter Körper ließ ihn im Stich. Seine Knie gaben nach, und er stürzte zu Boden.
Vor ihm lag die Burg, zum Greifen nahe!
Verzweifelt bemühte er sich, wieder aufzustehen und seine Beine wieder zum Laufen zu zwingen.
Es gelang ihm zwar, aber die Soldaten überholten ihn auf ihren Pferden. Behandschuhte Hände packten ihn bei den Schultern. Als er sich wehrte, stülpten sie ihm eine Kapuze über den Kopf, sodass er nichts mehr sehen konnte. Dann schlugen sie zu, und alles um ihn herum versank in Dunkelheit.
„Etwas stimmt hier nicht, Agnes“, flüsterte Nairna MacPherson ihrer alten Amme zu, während sie aus dem Fenster ihrer Kammer in den inneren Hof hinunterblickte. Vier Reiter, ihr Anführer trug Rüstung und Helm mit Nasenschutz, waren durch das Tor des Außenwerks in die Burg gekommen. „Das sind englische Soldaten! Aber warum sind sie hier?“
„Vielleicht sind es Harkirks Männer, und sie sind gekommen, um noch mehr Silber von Eurem Vater zu fordern“, antwortete Agnes und klappte die Truhe zu. „Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Das ist seine Sache, nicht deine.“
Nairna wandte sich vom Fenster ab. „Er sollte sie nicht bestechen“, erwiderte sie aufgebracht. „Das ist nicht recht.“
Ein Jahr nach der schottischen Niederlage bei Falkirk hatte Robert Fitzroy Baron of Harkirk im Westen der Burg Garnison bezogen. Es gab hunderte von englischen Stützpunkten in den Highlands, und jedes Jahr wurden es mehr.
Um seine Leute vor Angriffen zu schützen, hatte ihr Vater den Engländern nicht nur seine Loyalität, sondern auch sein Geld zugesichert.
Diese verfluchten Blutsauger! Damit musste endlich Schluss sein.
„Ich will wissen, warum sie hier sind.“ Sie ging zur Tür, aber Agnes stellte sich ihrer Herrin in den Weg.
Die braunen Augen der alten Frau sahen Nairna mitfühlend an. „Wir kehren heute wieder nach Hause zurück, Nairna. Du wirst dich doch nicht noch kurz vor deiner Heimkehr mit Hamish streiten wollen.“
Die mahnenden Worte trafen. Nairna blieb mit hängenden Schultern stehen. Sie hätte ihrem Vater so gerne geholfen. Am Ende würden die Engländer ihn noch völlig ausnehmen. Wenn sie daran dachte, was er um der Sicherheit seines Clans willen in Kauf nahm, wurde ihr ganz schlecht.
Doch Ballaloch war nicht länger ihr Zuhause. Aber auch Callendon nicht, obwohl sie mit dem Oberhaupt des MacDonnell-Clans verheiratet war und die letzten vier Jahre dort gelebt hatte.
Jetzt war Iver tot. Sie hatte ein komfortables Leben mit ihm geführt, aber es war keine erfüllte Ehe gewesen. Nicht zu vergleichen mit der Liebe, die sie zuvor gekannt hatte.
Beim Gedanken an den Mann, den sie vor so vielen Jahren verlor, erwachte wieder der alte Kummer in ihrem Herzen. Bram MacKinlochs Tod hatte sie als eine gebrochene Frau zurückgelassen. Kein Mann würde je an seine Stelle treten können.
Jetzt war sie Herrin von nichts und Mutter von niemandem. Ivers Sohn und dessen Frau hatten bereits die Führung des Clans und dessen Besitztümer an sich gerissen. Nairna war nur noch eine Art Überbleibsel, eine zurückgelassene Witwe. Jemand ohne Bedeutung.
Das zweifelhafte Gefühl der Hilflosigkeit wurzelte tief in ihrer Seele. Ihr Herz war erfüllt von Einsamkeit, und sie spürte den glühenden Wunsch, für irgendjemanden nützlich zu sein. Sie wünschte sich ein Heim und eine Familie – einen Ort, wo sie nicht nur als Schatten existierte. Aber wie es schien, gehörte sie nirgendwo wirklich hin. Weder hierher in die Burg ihres Vaters, noch in das Heim ihres verstorbenen Gatten.
„Ich werde mich nicht einmischen“, versprach sie Agnes. „Ich will nur wissen, warum sie hier sind. Schließlich hat er die Abgaben für dieses Quartal schon bezahlt.“
„Nairna“, warnte die alte Amme. „Lass es sein.“
„Ich will doch nur hören, was sie sagen“, meinte Nairna leichthin. Doch so unbekümmert wie sie tat, fühlte sie sich ganz und gar nicht. „Und ich könnte versuchen, mit Vater zu sprechen.“
Missmutig grummelnd folgte Agnes ihr die Treppe
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