Historical Collection 04
davon.
Mit ihm schwand Lailas Hoffnung auf Freiheit.
„Wartet!“, rief sie. „Geht nicht fort. Noch nicht.“
Er blieb stehen und drehte sich um, die Arme vor der Brust verschränkt. Laila erkannte, dass er sein Angebot nicht wiederholen würde. Dies war ihre einzige Gelegenheit, und sie drohte ihr zu entgleiten.
Einige Wochen in der Sklaverei waren immer noch besser als Jahre. Und obgleich es sie wütend machte, in dieser Lage zu stecken, war sie doch gewiss, sie ertragen zu können. „Also gut“, murmelte sie und trat zu ihm. „Ich bleibe bei Euch.“
Alles in ihr begehrte gegen diese Entscheidung auf, aber wenigstens hatte er ihr zugesichert, sie nicht gegen ihren Willen zu erobern. Bestimmt würde sie ihm widerstehen können, bis sie ihre Freiheit zurückerlangt hatte.
Er machte Anstalten, sie zurück in den Palast zu führen, doch sie hielt ihn zurück. Es gab da noch etwas, das sie tun musste. Sie streckte die Hand aus. „Würdet Ihr mir die Datteln geben, die Ihr eingesteckt habt?“
Die Frage schien ihn zu verblüffen. „Hast du Hunger?“
„Ich will sie nicht für mich, sondern für den Hengst.“ Sie hatte jetzt zwar nicht die Zeit, mit der Arbeit an dem Tier zu beginnen, wollte jedoch schon einmal Vertrauen aufbauen.
Khadin reichte ihr eine Handvoll gezuckerter Datteln und machte Platz, damit Laila an die Einfriedung treten konnte. Sie musterte den weißen Hengst, der an der Innenseite der kreisförmigen Umzäunung entlanglief, und achtete darauf, sich behutsam zu bewegen. Das Pferd wirkte unmutig und bleckte die Zähne.
„Ich weiß, wie du dich fühlst“, raunte sie ihm sanft zu, öffnete die Hand mit den Datteln und hielt dem Tier den Leckerbissen hin. Es war noch viel zu früh dafür, ihn aus der Hand fressen zu lassen, und daher löste sie ihren Schleier, breitete ihn auf der Erde aus und legte die Datteln darauf. So würde er sich an ihren Geruch gewöhnen.
Schnaubend beäugte der Hengst die aufgehäuften Früchte. Laila wich mehrere Schritte zurück und beobachtete ihn.
Komm ruhig her, drängte sie ihn in Gedanken. Ich will dir nichts tun.
Sie spürte den Prinzen in ihrem Rücken und wusste, dass er seinerseits sie beobachtete. Schließlich kletterte er über den Zaun und trat hinter sie, sorgsam darauf bedacht, den Hengst nicht zu beunruhigen. Während sie darauf warteten, dass das Pferd sich die Datteln holte, war Laila sich der Berührung des Prinzen nur allzu bewusst. Er vermied ruckartige Bewegungen, schlang ihr, gleich unterhalb der Brüste, die Arme um den Leib und hielt sie fest an sich gedrückt. Laila fühlte, wie ihre Haut warm wurde, und als der Hengst endlich den Kopf senkte und fraß, seufzte sie erleichtert. Es war ein kleiner Sieg.
„Ich möchte morgen früh hier sein, bevor er gefüttert wird“, sagte sie leise. „Ich sollte diejenige sein, die ihm sein Futter bringt, damit er lernt, dass ich ihm nichts zuleide tun will.“
Khadin wollte den Schleier aufheben, aber Laila hielt ihn zurück. „Nein, lasst ihn liegen. Ich möchte, dass er sich meinen Geruch einprägt und sich an mich erinnert“, erklärte sie, während er ihr über den Zaun half. „Wenn ein Hengst durch die Hände eines Menschen Schmerz erfährt, weiß er nicht mehr, wem er noch trauen darf.“
„So wie du mir nicht traust.“
Er sprach die Worte leise und zärtlich. Laila zuckte mit den Schultern. „Ich kenne Euch nicht.“
„Du wirst mich kennenlernen“, raunte er und strich ihr mit dem Daumen über die Handfläche. Seine Berührung ließ sie erschauern, sie konnte nichts dagegen tun.
Die Sonne versank hinter dem Horizont, und das letzte Licht schwand mit ihr. Khadin führte Laila zurück in seine Gemächer, und mit jedem Schritt wurde ihr beklommener zumute. Er hatte ihr eine Hand ins Kreuz gelegt, und die unaufdringliche, warme Berührung machte sie fahrig. Sie versuchte sich einzureden, dass es so schlimm nicht werden konnte. Er behandelte sie gut, und dabei hätte er sie mit Leichtigkeit in sein Bett zwingen können, anstatt ihr die Stallungen zu zeigen. Aber er hatte sie nicht gezwungen, sondern ihr die Angst genommen, indem er sie an den einzigen Ort gebracht hatte, an dem sie sich zu Hause fühlte – zu den Pferden.
Er hatte ihr die Möglichkeit eingeräumt, ihn zurückzuweisen, wenngleich sie in dieser Hinsicht im Grunde keine Wahl hatte. Das war es, was ihr am meisten zusetzte – dass sie es genossen hatte, von ihm angefasst zu werden. Jahrelang hatte sie ihre
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