Historical Collection 04
mir, auch wenn man sich vielleicht etwas anderes erhofft hat. Ich bin seit vierzehn Jahren nicht mehr hier gewesen.“
„Jetzt sind Sie aber hier“, sagte Rose in kaltem Ton, von ihrer Enttäuschung überwältigt. Sie allein hatte noch hoffnungsvolle Erwartungen gehegt. Während die übrigen Bewohner von Pembridge-on-the-Wye längst alle Hoffnung aufgegeben hatten, träumte sie immer noch davon, dass der neue Earl ein aktives Interesse an seinem Landbesitz aufbringen und ihre Probleme wie durch Zauberei lösen würde. Man brauchte dringend eine zusätzliche Einkommensquelle für die Arbeiter, wenn die Ernte vorüber war.
Pembridge nickte ihr kurz zu. „Einen guten Tag, Mrs Janeway. Mir scheint, ich habe Sie enttäuscht. Das war nicht meine Absicht.“ Er ging an ihr vorbei, weil er vermutlich ihrer Gesellschaft so schnell wie möglich entkommen wollte. Kein Wunder. Sie hatte sich abscheulich benommen. Es stand ihr nicht zu, einen Peer zu kritisieren. Aber Rose hatte sich noch nie vor einem gesellschaftlich Höherstehenden gebeugt, wenn es um Recht oder Unrecht ging, und es stand sehr viel auf dem Spiel.
„ Mich enttäuschen Sie nicht, Pembridge. Sie haben sich lediglich Ihrem Ruf entsprechend verhalten. Es war mein Fehler, mir mehr von Ihnen zu versprechen. Es gibt nun mal leider einen Unterschied zwischen Erwartung und Hoffnung.“
Sie bereute ihre harten Worte sofort, nachdem sie diese ausgesprochen hatte. Wenn sie ihn nicht vorher schon vor den Kopf gestoßen hatte, dann sicherlich jetzt. Sie kannte ihn doch kaum, und es war ungerecht, ihn zum Prügelknaben für ihre zerschmetterten Hoffnungen zu machen.
Pembridge zögerte einen Moment und drehte sich noch einmal zu ihr herum. Rose straffte die Schultern. Sie würde kein Wort zurücknehmen, aber sie hatte alles verdient, was er ihr jetzt sagen würde. Seine Miene hatte einen herausfordernden Ausdruck, und sie wappnete sich innerlich gegen einen Angriff.
4. KAPITEL
R ose sah verblüfft, dass Pembridge seine Jacke auszog und langsam die Ärmel seines weißen Hemdes aufkrempelte, eines teuren Hemdes aus feinem Batist. Solch ein Hemd besaß hierzulande kein anderer Mann, außer vielleicht für den Gottesdienst. Er wollte doch wohl nicht darin arbeiten? Und wenn nicht, was hatte er dann vor?
Ihr kam ein erschreckender Gedanke. Er wollte ihr doch hoffentlich keine Prügel verabreichen? Seit ihrem vierten Lebensjahr war sie nicht mehr geschlagen worden, und damals hatte sie es verdient, weil sie dem Pfarrer widersprochen hatte. Jetzt hast du es auch verdient, sagte ihre innere Stimme. Du hast noch nie gewusst, wann man seine Gedanken besser für sich behält.
Pembridge ging einen Schritt auf sie zu, und sie wich unwillkürlich zurück, obwohl der Gedanke an Schläge sie plötzlich erregte. Bei der Vorstellung, wie sie mit entblößtem Hinterteil quer über seinem Schoß lag, errötete sie.
Killian legte seine Jacke über einen niedrigen Ast; sie beobachtete jede seiner Bewegungen. Er testete mit der Hand, wie stark der Ast war, und meinte: „Gutes, solides Holz.“
Rose holte tief Luft. Mein Gott, was geschah mit ihr? Warum hatte sie diese schmutzigen Vorstellungen? Sie hoffte inständig, dass er nicht ahnte, welche Erregung er in ihr auslöste. Er erriet schon viel zu viele ihrer Gedanken.
Killian schaute kurz nach oben in den blauen, sonnigen Himmel. „Sie sprachen von Schnee im Oktober? Ich glaube Ihnen. In diesem Fall brauchen Sie alle Hilfe, die Sie bekommen können.“
Es war ganz und gar nicht das, was sie aus seinem Munde erwartet hatte. Es dauerte einen Augenblick, bis sie sich von der Fantasie der Schläge losreißen konnte. „Was haben Sie vor?“ Offenbar war er nicht annähernd so ärgerlich, wie sie nach ihrer unhöflichen Bemerkung erwartet hatte.
„Meine liebe Mrs Janeway, ich möchte versuchen, Ihre schlechte Meinung von mir zu bessern.“ Der Earl of Pembridge bedachte sie mit einem Zwinkern seiner dunklen Augen. „Es mag Sie verwundern, aber in bin durchaus an körperliche Arbeit gewöhnt, obwohl Mr Connelly und Sie zu glauben scheinen, dass ich einen müßigen Lebensstil bevorzuge. Ich enttäusche Sie ungern, aber trotz meiner vielen Affären, der aufregenden Wetten und so weiter helfe ich gelegentlich beim Entladen meiner Schiffe in London.“ Nach einer knappen Verbeugung in ihre Richtung lächelte er fröhlich und schlenderte mit aufgerollten Hemdsärmeln in den Obstgarten hinein, wobei er unterwegs einen leeren Korb
Weitere Kostenlose Bücher