Historical Collection 04
kannte viele Farmer in der Umgebung, die nicht die erwarteten Erträge erzielt hatten.
Pembridge stand bereits bei den Fässern, umringt von den Männern, wie ein Einheimischer im Pub. Sein Hemd war schmutzig – vermutlich nicht mehr zu retten –, und sein dunkles Haar hing ihm jetzt locker über die Schultern. Dieser äußerst männliche Anblick löste wieder Verlangen in ihr aus. Das Bild eines hart arbeitenden Mannes wirkte anregend auf sie, aber sie unterdrückte diese Gefühle sogleich und ermahnte sich, dass er nur am heutigen Tag hier war. Er wollte immer noch fort, und zwar so schnell wie möglich, denn er plante nicht, sich am Ort niederzulassen. Seine jahrelange Abwesenheit und die Entfremdung von seinem Onkel waren ein deutliches Zeichen dafür, dass Pembridge für ihn nur eine unerwünschte und lästige Pflicht war. Aus Gründen der Gerechtigkeit musste Rose allerdings einräumen, dass er nicht für die Not der Landbevölkerung verantwortlich war, denn die hatte lange vor seiner Ankunft begonnen.
Doch wenn er sie so ansah, mit einem Blick aus seinen dunkelbraunen Augen, ein sinnliches Lächeln auf den Lippen, dann konnte sie an nichts anderes mehr denken als an das Vergnügen, das er ihr bereiten könnte. Prompt geriet sie ins Träumen, wie es wohl war, wenn man sich von solch einem maskulinen Adonis verwöhnen ließ. Warum sollte sie nicht einfach die Gelegenheit beim Schopfe packen?
Und was dann? Alles im Leben hat Konsequenzen. Ihr Sinn für Realität meldete sich zurück. Ein Earl mochte mit der Witwe eines Gutsherrn tändeln, während er auf dem Land weilte, aber das war alles. Was erwartete sie, wenn die Affäre zu Ende war? Ihres Wissens hatte er zwar bisher noch keine Heiratspläne, aber früher oder später würde er seine Meinung ändern und einen Erben für seinen Titel brauchen. Dafür suchte er sich dann eine vornehme Frau in London.
Rose fand ihre Gedankengänge inzwischen selbst etwas merkwürdig.
Sie trank einen Becher Cider, um sich abzulenken, und wartete darauf, dass die Arbeiter einer nach dem anderen nach Hause gingen. Offenbar war sie nicht die Einzige, die von der Anwesenheit des Earls beeinflusst war. Die Männer bei den Fässern unterhielten sich lebhafter als sonst; offensichtlich hatte Pembridge ihre Stimmung verbessert. Sie fürchtete allerdings, dass auch die Hoffnungen der Arbeiter Auftrieb bekommen hatten und enttäuscht werden könnten.
„Sie haben sich heute gut geschlagen.“ Rose näherte sich ihm, als die letzten Arbeiter hinter der Wiese verschwanden. Sie wollte nach ihrem Verhalten von vorhin Frieden mit ihm schließen, auch wenn ihr Dilemma dasselbe geblieben war.
Er wandte sich ihr lächelnd zu. Sie lächelte zurück, weil sein Charme so eine umwerfende Wirkung hatte, dass sie nicht anders konnte. „Sieh an, Mrs Janeway, ist das etwa eine Entschuldigung?“
Rose lachte, weil sie den neckenden Tonfall verstanden hatte, und antwortete ohne Umschweife. Zum zweiten Mal heute musste sie ihre heftigen Reaktionen erklären. „Sie lassen wohl keine Frau vergessen, wie dumm sie sich verhalten hat?“
Für einen Augenblick betrachtete er sie gedankenvoll. „Ich mag Frauen, die ehrlich mit sich selbst sind, so wie Sie es gestern waren. Sie haben nicht weggeschaut, selbst als Sie sich ertappt sahen.“
„Ich habe keinen Grund dafür gesehen, nachdem es einmal passiert war.“ Rose warf ihm einen koketten Blick zu und zahlte es ihm mit gleicher Münze heim. „Ich sagte mir: ‚Nun ja, es scheint ihm ja nichts auszumachen‘.“
Sie flirtete tatsächlich mit dem Feind. Obwohl Feind natürlich ein zu starkes Wort war. Pembridge stand ihr ja nicht wirklich feindlich gegenüber – eigentlich genau das Gegenteil. Er mochte sie ja. Er stand nur Pembridge-on-the-Wye ablehnend gegenüber.
Pembridges Lachen klang jetzt laut und offen durch die nächtliche Stille. Rose fühlte sich von dem warmen Klang eingehüllt und getröstet. Wie lange hatte sie nicht mehr mit jemandem gelacht? Sie hatte in der letzten Zeit so viele Sorgen und Probleme gehabt, die sie ganz allein schultern musste.
„Mrs Janeway, Sie sind entzückend. Gott sei Dank, dass Ihr Verstand nicht noch schärfer ist, sonst würde er mich in Stück schneiden. So kann ich Ihnen jetzt eine gute Nacht wünschen und mich mit dem Rest an Würde zurückziehen, der mir noch geblieben ist.“
„Nein, warten Sie.“ Rose reagierte schnell und impulsiv und dachte nicht über ihre Worte nach. „Jetzt bin ich
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