Historical Collection Band 01
„Niemals lasse ich dich gehen“, verkündete er in gebieterischem Ton. „Du bleibst bei mir.“
„Und Clár?“ In dieser Frage spürte er ihre Skrupel, die Angst, dass sie ihm im Grunde nichts bedeutete.
„Vorhin habe ich ihr erklärt, dass ich sie nicht mehr umwerben werde.“ Sein Mund glitt an ihrem Hals hinab. „Nur deshalb sprach ich mit ihr. Sie hatte es bereits geahnt.“ So sanft, wie er es mit seinen schwieligen Fingern vermochte, entflocht er Auders Zopfkrone, bis die kastanienfarbenen Locken auf ihre Schultern fielen. „Ich muss wissen, in welchen Zauberbann du mich gezogen hast, warum allein schon dein Anblick mein Blut erhitzt.“ Verzehrend küsste er sie wieder, dann fügte er hinzu. „Und ich will die Frau kennenlernen, die so oft vor mir stand – die ich in meiner Blindheit nicht sah. Niemand wird dich mir wegnehmen.“
Um seinen Besitzanspruch zu bekräftigen, erforschte er ihren Mund mit seiner Zunge, damit sie nicht mehr an seinem Verlangen zweifelte.
Irgendetwas an Auder zog ihn in einen unwiderstehlichen Bann. Sobald er erfahren hatte, sie würde sich dem Normannen ausliefern, war er ohne Vorwarnung von einem primitiven Drang befallen worden. Was genau ihn antrieb, verstand er nicht. Aber in dieser Nacht wollte er alles tun, was in seiner Macht stand, um sie von ihrem Entschluss abzubringen. Selbst wenn er sie verführen musste …
„Solltest du es nicht wünschen, führe ich dich sofort zu den anderen zurück“, versprach er. Die Hände an ihrer Taille, wartete er auf ein Zeichen. Als sie reglos schwieg, streichelte er ihre Wangen. „Oder ich berühre dich so, wie ich es seit deiner Rückkehr hierher ersehne.“
Von Gunnars Küssen fühlten sich ihre Lippen feucht und heiß an. Verstört schaute Auder zu ihm auf. So schnell war es geschehen, dass sie kaum atmen konnte. Seine grauen Augen schwelten in der Farbe dunklen Rauchs, unverhohlene Sinnenlust prägte seine Züge. In dieser Nacht würde er sie nicht nur küssen, wenn sie es zuließ.
Würde sie es wagen? Trotz ihrer eigenen Begierde wusste sie, wie sie sich am nächsten Morgen verhalten musste. Dieses wichtige Bündnis mit den Normannen durfte sie nicht gefährden, so sehr sich auch alles in ihr dagegen sträubte. Bald würde sie sich dem Baron anbieten, um ihre Familie und die Freunde zu retten.
Aber diese Nacht gehörte ihr.
Sie konnte bei Gunnar bleiben und ihm erlauben, sein Verlangen nach ihr zu stillen. Schon jetzt erkannte sie, dass es mit ihm anders wäre – dass sie ihn nicht so enttäuschen würde wie ihren ersten Liebhaber. Das verriet ihr das leidenschaftliche Begehren, das sie für Gunnar empfand.
Wie sie sich freimütig eingestand, war er der einzige Mann, den sie wollte, von dem sie geträumt hatte. Nie wieder würde sie eine so wundervolle Gelegenheit finden.
Stets hatte sie sich in der Nähe von Männern ungeschickt und scheu gefühlt, nie gewusst, welches Benehmen angemessen wäre. Seufzend strich sie von Gunnars verletzter Schläfe bis zu seinem Kinn, zu seinem Hals. „Eigentlich müsste ich Nein sagen …“
„Das wirst du nicht tun. Weil es unsere Bestimmung ist, heute Nacht beisammenzuliegen. Und du weißt es genauso gut wie ich.“
Unter ihren Fingen spürte sie seinen heftigen Puls. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn küsste, schien sie einen Sturm zu entfesseln. Hungrig saugte er an ihrer Unterlippe und presste ihre Hüften an seine. Deutlich genug spürte sie das Ausmaß seiner Erregung und erschauerte wohlig. Bald würde sie mit ihm verschmelzen …
„Ja, ich bleibe bei dir“, flüsterte sie. „Obwohl ich weiß, dass es falsch ist.“
Mittlerweile war die Luft kühler geworden, und Gunnar drückte Auder an sich, um sie mit seinem erhitzten Körper zu wärmen. „Komm mit mir, ich hole mein Pferd.“
„Warum? Wohin bringst du mich?“
„Weit weg von all den Menschen. Heute Nacht soll uns niemand stören.“
Bei Nacht war der lange Ritt gefährlich. Aber Gunnar nutzte das Mondlicht, das sich im Fluss spiegelte und den Weg beleuchtete. Er lenkte den Hengst zu einem Wäldchen, mehrere Meilen südlich von der Burg gelegen und weit vom einstigen Lagerplatz der normannischen Krieger entfernt.
„Nun werde ich ein Feuer entfachen“, erklärte er, stieg ab und hob Auder aus dem Sattel. Sorgsam breitete er seinen Umhang im Gras aus.
Sie half ihm, Zweige zu sammeln. Eine halbe Stunde später leckten helle Flammen am Holz.
Im Feuerschein glich Gunnars Silhouette
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