Historical Collection Band 02
seinem Lager? Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Sie schluckte schwer und fragte: „Warum habt Ihr mich gefangen?“
Tharand antwortete nicht, sondern zog einen Dolch aus seinem Gürtel.
Aisling erstarrte. Hielt die Luft an.
Doch er fasste nur hinter ihrem Rücken nach den Stricken, die sie hielten. Seine Hände waren so groß, dass sie dachte, er könnte damit ihre Knochen brechen, ohne sich im Geringsten anzustrengen. Als er mit festem Griff ihre Handgelenke umfing, drang die Wärme seiner Handflächen tief in ihre Haut.
„Ich schneide dich jetzt los.“ Er drückte die Klinge gegen den Strick. „Halt still.“
Nah, wie er ihr war, spürte sie die harten Muskeln seines Oberarms an ihrem Rücken. Die Berührung war rein zufällig, doch da sie fror, strahlte seine Körperwärme wohltuend auf sie aus. Aisling atmete tief ein, bemühte sich, die aufsteigende Panik zu unterdrücken.
Es schien ihr sehr gefährlich, mit diesem Mann allein zu sein. Groß und stark, wie er war, würde sie sich kaum gegen ihn wehren können.
Als sein Daumen zufällig über ihre Handfläche fuhr, wurde sie jäh von einem Gefühl der Erwartung erfasst. Seine Haut strömte einen leicht würzigen Geruch aus, der an ferne Lande im Orient erinnerte. Der Schein der Kerzen ließ seinen Schatten beängstigend flackern.
„Was wollt Ihr von mir?“, fragte sie. „Bin ich nun Eure Sklavin?“
Mit einem raschen, scharfen Schnitt durchtrennte er mit der Klinge seines Dolches ihre Fesseln, wobei er sie unverwandt anschaute, mit einem so forschenden Blick, als wollte er ihren Wert schätzen.
„Du bist ein Geschenk für König Magnus“, erklärte er schließlich. „Er weilt wieder in Irland.“
Ein Geschenk? Sie presste die Lippen aufeinander. „Und wieso glaubt Ihr, dass er noch eine Sklavin will?“
Er nahm eine Strähne ihres dunklen Haares und ließ es durch seine Finger gleiten. Die kleinen Härchen in ihrem Nacken richteten sich auf, und plötzlich begann ihr Herz heftig zu pochen.
„Du wirst nicht einfach eine Haussklavin sein. Eine Frau wie du ist mehr wert. Wenn du Glück hast, könntest du sein Bett wärmen.“
Ihr lag eine wütende Entgegnung auf der Zunge. Eine solche Frau bin ich nicht, wollte sie schreien. Aber war sie nun nicht genau das? Ihre Freiheit war dahin, war ihr gestohlen worden. Heftig rieb sie ihre Handgelenke, um die Taubheit daraus zu vertreiben. Mit aller Macht wünschte sie, sie könnte den Krieger töten für das, was er ihr angetan hatte. Und für das, was er noch tun würde.
„Und was bekommst du dafür?“, fragte sie bewusst respektlos. „Gold? Dreißig Silberlinge?“
Seine Miene gefror. „Sei dankbar, dass du noch lebst.“
„Warum ich? Warum nicht eine andere Frau?“ Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien. Anspannung lauerte in ihr, wollte herausbrechen.
Tharand zuckte die Achseln. „Du bist von edlem irischem Blut und damit geeignet, dem König zu Diensten zu sein.“
Dem König zu Diensten? Aisling biss die Zähne zusammen. Wohl kaum! Sie würde sich bestimmt nicht tatenlos diesem Schicksal ergeben.
Aber draußen herrschte Winter, das machte ein Entkommen fast unmöglich. Sie brauchte einen Unterschlupf und ein Pferd und Proviant. Sie konnte nicht einfach fortlaufen, sondern würde gründlich planen müssen.
Wieder rieb sie sich die Handgelenke. Außerdem schmerzte ihr geschwollener Kiefer immer noch. Aber sie verspürte nicht nur körperliches Unbehagen. Ihre Fantasie überschlug sich, wenn sie daran dachte, was dieser Räuber ihr antun könnte. Wenn er sie auch bisher noch nicht überwältigt hatte – vielleicht wartete er nur ab …
Sie brauchte eine Waffe. Ihr Blick erhaschte an der gegenüberliegenden Wand einen Schimmer – wie von Stahl.
„Da, iss etwas.“ Tharand störte sie aus ihren Überlegungen auf, indem er ihr eine Schale hinhielt. Riesig ragte er vor ihr auf, sodass sie unsicher auf dem Bett zurückrutschte. Beim Anblick des gesalzenen Fischs bäumte sich ihr Magen auf. „Nein, danke.“
„Du wirst dich bei mir nicht zu Tode hungern“, erklärte er in befehlendem Ton. Er stellte die Schale vor ihr ab und kreuzte erwartungsvoll die Arme vor der Brust. Gegen ihren Willen starrte sie auf die Runenzeichen auf seiner Haut, die sich unter ihrem Blick zu bewegen schienen.
„Das will ich ja gar nicht.“ Sie versuchte, den widerwärtigen Fischgeruch nicht einzuatmen. „Ich mag nur keinen Fisch.“ Und im Moment verursachte der Gedanke an Essen jeder
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