Historical Collection Band 02
sie hastig ihre Röcke wieder über die Knöchel hinab; doch er kam nicht, also begann sie, das Haus zu erforschen. Beklommen und angespannt, wie sie war, prickelte ihr die Haut am ganzen Körper. Immer noch fürchtete sie, dass er ihr etwas antun würde. Aber zumindest war sie nun bewaffnet.
Es verblüffte sie, wie sauber seine Unterkunft war. Alles hatte seinen Platz, weder lag Kleidung herum, noch entdeckte sie irgendwo schmutziges Geschirr. Was das anging, waren ihre Brüder schrecklich unordentlich. Immer wieder fand sie eine Tunika hinter ein Fass gestopft, oder ein Paar Schuhe stand mitten im Weg. Am schlimmsten war Kieran, der beim Schnitzen überall die Holzspäne verstreute.
Die Erinnerung an die beiden ließ ihr das Herz schmerzen, und die Leere darin war größer als jede Hoffnung. Beide Brüder waren verschwunden. Kieran hatte sie vor einem der Plünderer gerettet, dann hatte er sich auf die Suche nach Egan gemacht.
Und sie war Tharand in die Hände gefallen.
Sie wusste nicht, was aus ihnen geworden war, wusste nicht, ob sie sie je wiedersehen würde. Bei dem Gedanken hätte sie die Waffen von der Wand reißen, hätte alles um sich herum zerschlagen mögen! Verdammt sollten diese Wikinger sein!
Aisling unterdrückte ihre Tränen und atmete tief ein. Du musst hier weg! Sie konnte sich nur auf sich selbst verlassen. Unwillkürlich legte sie, wie Kraft suchend, die Hand auf die Klinge an ihrem Schenkel. Tharand würde gewiss bald zurückkommen, also sollte sie besser mit ihrer Suche fortfahren.
Doch schon erklangen draußen Schritte, sodass sie rasch auf das Bett floh. Die Tür flog auf, und ein Mann mit Helm und Lederrüstung betrat das Haus. Wie ein Dämon aus der Unterwelt sah er aus, während er sie abschätzig musterte.
„Ich wollte zu Tharand“, sagte er. „Du bist wohl seine neue Gefangene?“
Aisling tastete nach dem Messer, obwohl es seiner Rüstung kaum gewachsen wäre. Warte, mahnte sie sich, es wird sich eine Gelegenheit ergeben.
Im nächsten Moment jedoch stürzte sich der Nordmann so schnell auf sie, dass sie nicht mehr reagieren konnte. Er umfasste ihre Taille und drückte sie gegen den Strohsack auf der Bettstatt. „Ich könnte dich ihm abkaufen“, flüsterte er heiser. „Oder wir können dich beide gleichermaßen genießen.“
Verzweifelt versuchte Aisling, die Waffe zu fassen. Da, gleich …
In diesem Augenblick flog die Tür erneut auf, ein Strom eisiger Luft wehte herein, und Tharand betrat die Hütte. Mit wenigen Schritten war er bei ihr, riss den Angreifer von ihr fort und versetzte ihm einen gewaltigen Hieb. Das Geräusch von Faust auf Fleisch erfüllte Aisling mit tiefer Befriedigung.
„Niemand fasst sie an“, grollte Tharand.
„Sie ist ein Sklavin“, widersprach der Unbekannte.
„Sie gehört mir!“ Tharand packte den Mann am Kragen und zerrte ihn zu der Wand mit den Waffen. „Schau dir das genau an! Komm ihr noch einmal zu nahe, und du kannst dir aussuchen, welche Klinge dich töten soll.“
Mit diesen Worten riss er die Tür auf und stieß den Krieger hinaus in den Schnee. Als er sich dann Aisling zuwandte, war sein Gesicht immer noch wutverzerrt. „Hat er dir etwas getan?“
„N… nein“, brachte sie nur heraus. Sie konnte seinen Blick förmlich auf ihrer Haut spüren. Und als er ihn an ihr herabgleiten ließ, rann es ihr wie Eis durch die Adern. Die Erleichterung, gerettet worden zu sein, wich ängstlicher Besorgnis. Warum hatte er einen seiner eigenen Leute angegriffen?
Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, sagte er: „Ich habe dich für einen besonderen Zweck vorgesehen. Kein Mann wird dir etwas antun, solange du unter meinem Schutz stehst.“
Sie zwang sich, ihn anzusehen. Er löste die Schlangenbrosche und legte seinen Umhang ab, warf ihn jedoch nicht einfach zur Seite, wie sie es von ihren Brüdern kannte, sondern hängte ihn sorgsam an einen Haken. Dabei musterte er die Wand mit den Waffen und verengte grimmig die Augen, als er die leeren Stellen entdeckte.
Er wusste , dass die Messer fehlten.
Doch Aisling unterdrückte ihr schlechtes Gewissen. Alles, was dieser Mann besaß, hatte er seinen Opfern geraubt. Sie würde tun, was zum Überleben notwendig war. Unwillkürlich legte sie die Hand auf den Dolch an ihrem Schenkel. Wenn Tharand auch behauptete, dass niemand ihr etwas antun dürfe – vielleicht schloss das ihn selbst nicht ein. Der Ausdruck in seinen Augen gefiel ihr überhaupt nicht.
Sie fühlte sich bedrängt, die
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