Historical Collection Band 02
Durst herrührte. Sie wusste nur, dass dieser Augenblick nie enden durfte, sonst würde sie vergehen.
Zu ihrem Leidwesen ließ er sie dennoch los, wenn auch langsam, als zögerte er ebenso, sich von ihr zu lösen. Während er sie immer noch bei den Armen hielt, schaute er auf sie nieder, seine blauen Augen schimmerten im dämmrigen Licht und schienen verzweifelt um etwas zu flehen, das sie ihm nur zu gern geben wollte, obwohl sie nicht recht wusste, was er begehrte. Er neigte den Kopf, und Margaret verspürte wachsende Erregung. Sie hob sich auf die Zehenspitzen.
Da näherten sich die Schritte anderer Spaziergänger. Rasch hüllte er sie wieder in seinen Domino. Mit heiserer Stimme murmelte er: „Gehen wir wieder zurück zu den Logen.“
Ihre Enttäuschung war niederschmetternd.
Eine Weile gingen sie schweigend. Mühsam unterdrückte Margaret die Frage ‚Warum haben Sie mich losgelassen?‘. Stattdessen fragte sie schließlich: „Warum suchen Sie eine Mätresse per Zeitungsanzeige?“
Sie spürte, wie er sich versteifte. „Ist das nicht offensichtlich?“
Offensichtlich? Es war unvorstellbar, dass dieser virile Man nicht jede Frau haben konnte, die er wollte. Er war hoch gewachsen, gut gebaut und ähnelte mit seinem dunklen, stattlichen Äußeren den Helden der gängigen Liebesromane. Welche Frau würde vor seinem Bett zurückscheuen?
„Nein, mir nicht.“
Zwar fiel inzwischen mehr Licht auf ihren Weg, trotzdem wirkte alles wie grau verwaschen, nur seine Augen strahlten immer noch in leuchtendem Blau. Und sie las Schmerz darin.
Er blieb stehen und deutete auf die Maske. „Ich bin entstellt.“
„Und was spielt das für eine Rolle?“ Sie wollte nach der Maske greifen.
Auf halbem Wege hielt er ihre Hand auf und stieß sie grob fort.
Erschreckt von der harschen Abwehr, zuckte sie zurück.
Mit zwei Schritten war er bei einer Bank, sank schwer darauf nieder und verbarg sein Gesicht in den Händen. Betroffen setzte Margaret sich neben ihn, legte die Börse auf ihrem Schoß ab, nahm eine seiner Hände und umschloss sie mit den ihren. „Es tut mir leid.“
Er richtete sich ein wenig auf, vermied jedoch ihren Blick.
Was ihr leidtat, war, dass er unglücklich war, dass er sich wegen seines Aussehens schämte, und besonders leid tat ihr, dass sie sich diese törichte Geste herausgenommen hatte.
Ganz kurz sah er sie an und gleich wieder fort. „Ich hätte nicht kommen sollen.“ Er hob die Börse hoch und lachte trocken auf. „Wenigstens haben Sie das Geld.“
„Und es wird gut genutzt werden.“ Sanft drückte sie seine Hand.
„Für Ihren Bruder.“
„Für meinen Bruder“, bestätigte sie lächelnd.
Er schaute sie derart durchdringend an, dass sein Blick jeden Winkel ihrer Seele zu erforschen schien. „Was möchten Sie denn noch?“
Sie blinzelte verwirrt. „Was meinen Sie?“
Unbeirrt haftete sein Blick auf ihr. „Wenn Sie Ihren Herzenswunsch erfüllt bekommen könnten, meine ich. Was würden Sie sich wünschen?“
Ihr Herz pochte wild. Manche Wünsche dachte man besser nicht einmal, wie etwa den, dass er sie noch einmal umarmen sollte.
Was sie sagte, war: „Ich möchte meinen Bruder nach Cambridge schicken.“
Er lachte.
Gekränkt erklärte sie: „Ich weiß, das ist Unsinn. Keine Gesellschafterin oder Gouvernante kann sich Cambridge leisten.“
„Nicht deswegen habe ich gelacht, sondern weil ich erwartet hatte, dass Sie sich ein Haus wünschen würden, oder Geschmeide, Schmuck.“ Er suchte ihren Blick. „Gibt es keinen Gönner, der Ihren Bruder unterstützen würde?“
„Nein, niemanden. Da ist nur noch mein Cousin Henry, doch er hat kaum genug, um sich selbst zu unterhalten. Er ist Schauspieler. Ich bin hier in London in der Pension untergekommen, in der er wohnt, in dem Zimmer einer Schauspielerin, doch nur so lange, bis sie zurückkehrt.“ Das würde in ein paar Tagen sein. „Vielleicht haben Sie meinen Cousin gesehen. Er ist Puck.“
„Ja, ich hab ihn gesehen“, meinte er; irgendwie schien er nicht ganz bei der Sache. Lange Zeit schwieg er, ehe er sie erneut scharf ansah. „Miss Leigh, ich werde Ihren Bruder nach Cambridge schicken.“
Sie riss die Augen auf. „Warum sollten Sie das tun?“
Er zuckte die Achseln. „Weil ich reich genug dazu bin.“
Offensichtlich verstand sie ihn nicht.
Er streifte sie mit einem Blick. „Doch, ich werde es tun. Ich übernehme die Kosten für Cambridge, aber ich werde auch Ihnen etwas zahlen. Eine lebenslange Rente, wenn
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