Historical Collection Band 02
sofort wieder.
Die Gesellschaft, die der Herr suchte, war anderer Natur, als sie es sich vorgestellt hatte. Er suchte eine Mätresse.
In seinem recht geistreichen Antwortbrief klang unterschwellig schmerzlich empfundene Einsamkeit an. Margaret antwortete ihrerseits, obwohl es höchst unschicklich war. Sie schrieb eine höfliche Absage.
Er schrieb zurück.
Wieder und wieder schrieb er, charmante Briefe, voller Esprit und verzweifelter Einsamkeit, in denen er sie zu überreden suchte. Jedes Mal sagte sie ihm ab, doch bald schon war es täglich ihre größte Freude, seinen Lakai mit einem Schreiben eintreffen zu sehen. Sie konnte seine Briefe gar nicht schnell genug lesen.
Schließlich schlug der Gentleman eine Zusammenkunft vor, für die er ihr zwanzig Pfund zahlen würde. Das Treffen, bot er an, sollte auf ebendiesem Maskenfest in Vauxhall stattfinden.
Zwanzig Pfund – beinahe so viel, wie sie als Gesellschafterin einer alten Dame in einem ganzen Jahr verdienen würde.
Und sie brauchte das Geld ganz verzweifelt.
Während dieser Überlegungen hatte ihr Cousin sie zu einem Tisch mit Erfrischungen geführt, und sie nahm sich ein Glas Claret, in der Hoffnung, dass der Wein sie ein wenig beruhigen werde.
„Sieh es als Abenteuer“, meinte Henry.
„Ja, ein Abenteuer“, flüsterte sie vor sich hin, trank ihr Glas leer und nahm gleich ein zweites.
„Guter Gott!“, rief Henry begeistert. „Da ist Daphne Blane!“
Daphne Blane war der Liebling der Londoner Bühnen, eine außerordentlich gefragte Hauptdarstellerin, die man zurzeit privat sehr oft an der Seite eines Aristokraten sah.
„Woran erkennst du das?“ Margaret sah nur eine Frau in antikem griechischem Kostüm mit einer goldenen Maske vor dem Gesicht.
„Aber sie ist unverwechselbar!“ Henry setzte sein Glas ab. „Ich muss sie unbedingt begrüßen. Es wird sie beeindrucken, dass ich zu den Gästen gehöre.“
Ohne Henry sank Margaret der Mut. Sie sollte sich davonmachen, hinunter zu den Kähnen laufen, die die Besucher über den Fluss zurück in die Stadt brachten, und sehen, dass sie heimkam.
Stattdessen trank sie einen weiteren Mut befeuernden Schluck Wein und hielt Ausschau nach einem unauffälligen Winkel, in den sie sich zurückziehen könnte.
Eine junge Frau im Schäferinnenkostüm trat an sie heran. „Kenne ich Sie?“
Mochte Gott verhüten, dass jemand hier sie kannte! Dann wäre sie nie hergekommen.
„Oje, das klang plump, nicht wahr?“ Die maskierte junge Dame zog eine Grimasse. „Es ist nur einfach so, dass Sie in meinem Alter zu sein scheinen, und wenn Sie nun eine meiner Freundinnen wären, müsste ich mich ja schämen, Sie nicht zu erkennen.“
Lächelnd erwiderte Margaret: „Ich bin sicher, dass Sie mich nicht kennen. Ich bin Miss Leigh.“
Die Frau streckte ihr die Hand entgegen. „Ich bin Justine Savard, die Tochter des Dukes.“
Der Familienname des Dukes war nicht Savard, und der Lady Linwells auch nicht. Hatte der Duke eine Tochter von noch einer anderen Frau?
Mein Vater wird sich wirklich im Grab umdrehen, dachte Margaret.
Unbefangen fragte Miss Savard: „Sind Sie in Begleitung hier?“
„Ja, mit meinem Cousin.“ Margaret wies mit dem Kopf vage in die Richtung. „Er ist Puck.“
„Das ist Ihr Cousin? Ich fragte mich schon, wer das ist, der da mit Miss Blane spricht.“
Offensichtlich war Henry nicht der Einzige, der die berühmte Schauspielerin erkannt hatte.
Wieder sah Miss Savard sich suchend um, nahm sich dann jedoch zusammen und schenkte erneut Margaret ihre Aufmerksamkeit. „Ich fürchte, ich habe meine Manieren zu Hause vergessen.“ Entschuldigend fügte sie hinzu: „Ich warte auf jemanden.“ Ihr stieg die Röte in die Wangen. „Auf meinen Schatz.“
Margaret wusste nicht recht, was sie zu dieser Vertraulichkeit sagen sollte. „Dann hoffe ich, dass er bald eintrifft.“
„Oh ja, ich auch.“ Wieder schaute sie sich unruhig um. „Da kommen noch mehr Gäste! Papas Freunde. Er und Lady Caroline haben aber auch alle und jeden eingeladen. Ein Jammer, dass sein bester Freund verhindert ist. Papa und Baron Veall waren Schulfreunde …“
„Baron Veall.“ Margaret erbleichte.
„Kennen Sie ihn?“
„Nein!“ Das kam schärfer als beabsichtigt.
Die Pfarrei ihres Vaters hatte sich auf dem Besitz von Baron Veall befunden, und einmal hatte der Baron mit seiner Familie den Sommer dort in seinem Landhaus verbracht. Einmal hatte Margaret den jüngeren Sohn getroffen. Einmal.
Sie hatte ihn nie
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