Historical Exclusiv 45
überlegen. „Das könnt Ihr nicht! Ich benötige Eure Hilfe!“
„Ich kann sie Euch nicht gewähren“, entgegnete er ruhig.
„Dann führe ich meine Truppen selber nach Perricault!“ Sie stützte die Hände in die Hüften und sah mit Genugtuung, wie sich der Blick des Ritters verdunkelte.
Wenigstens ein Zeichen, dass er ihr zuhörte.
„Das könnt Ihr nicht machen“, argumentierte er kalt. „Ihr verfügt nicht über die Erfahrung, einen erfolgreichen Angriffsplan aufzustellen.“
„Ich kann diesen Einwand nicht mehr hören, und glaubt mir, Chevalier, ich habe ihn öfter gehört, als mir lieb ist!“, gab Gabrielle zurück. „Warum sollte ich den Angriff nicht führen, ich kenne die Burg besser als jeder andere!“
Yves schüttelte verneinend den Kopf. „Die Männer werden Euch nicht folgen, Ihr könnt Euch auf sie nicht verlassen. Solltet Ihr es dennoch wagen, wird es nur Euch und Euren Gefolgsleuten den Niedergang bringen.“
„Ich muss es tun, unverzüglich!“ Ihre Geduld mit Männern und ihren Einwänden schien erschöpft. Sie hatte versucht, dieses Problem zu lösen, ohne ihre Gefühle ins Spiel zu bringen, doch das ging nun zu weit. „Ich werde meinen Sohn retten, mit oder ohne Eure Unterstützung, und das bald!“
Der Ritter kreuzte die Arme vor seiner Brust und schaute sie prüfend an. Seine Augen funkelten wie geschmolzenes Gold, und Gabrielle merkte, dass sie seine Aufmerksamkeit geweckt hatte.
„Euer Sohn?“, wiederholte er.
„Ja, mein Sohn !“ Sie konnte ihre Gefühle nicht länger zurückhalten. „Mein Sohn wurde von diesem erbärmlichen und gemeinen Philippe gefangen, und ich werde nicht länger dulden, dass er seinen Plänen als Unterpfand dient. Er ist doch noch ein Kind!“ Sie wies mit dem Finger auf Saint-Roux. „Und ich werde Thomas befreien, und sollte es das Letzte sein, was ich tue.“
Yves zögerte, dann warf er Gabrielle einen leuchtenden Blick zu. „Ist er Euer einziges Kind?“
„Ja. Ja, das ist er.“
Zu ihrer eigenen Bestürzung begann sie zu weinen. Es war indes nicht das gekünstelte Schluchzen einer raffinierten Frau, diese Tränen kamen tief aus ihrem Herzen.
„Er ist doch erst sechs Jahre alt!“, stieß sie hervor. „Er versteht nicht, was vor sich geht!“
Sehr zu Gabrielles Erleichterung versuchte Yves nicht, sie mit unpassender Vertraulichkeit zu trösten. Er stand nur da und ließ sie weinen.
Und er betrachtete sie nachdenklich. Zu ihrem Erstaunen wurden seine harten Gesichtszüge weicher. Ihre Blicke trafen sich einen kurzen Moment, dann trat er näher und bot ihr ein Tuch. Gabrielle wischte sich die Tränen damit ab, während er sie weiterhin nicht aus den Augen ließ.
„Wie könnt Ihr Euer eigenes Leben riskieren?“, fragte er eindringlich. „Wenn Euer Vorhaben misslingt und Euer Sohn überlebt, dann wird er ganz alleine sein.“
Gabrielle hob das Kinn. Daran hatte sie nicht gedacht.
Der Schmerz, der so unerwartet aus den bernsteinfarbenen Augen des Mannes schimmerte, raubte ihr beinahe den Atem. Sie sah ihn lange an, bevor sie die richtigen Worte fand. Er hatte recht. Es wäre schrecklich, wenn der kleine Thomas auch noch seine Mutter verlieren sollte.
„Ich kann ihn doch nicht in dieser Gefahr lassen“, flüsterte sie, und bei diesem Gedanken traten ihr erneut Tränen in die Augen. „Und niemand will mir helfen.“
„Ihr könnt nicht Euer Leben riskieren, da Ihr das Einzige seid, was Euer Sohn noch hat“, entgegnete Yves ruhig und bestimmt.
Gabrielle wandte sich ab. Es schmerzte sie, dass er so sicher war, sie würde versagen, wenn sie versuchen sollte, Thomas alleine zu retten.
Doch was sollte sie tun?
„Ich muss es versuchen“, flüsterte sie heiser. „Ich muss versuchen, meinem Sohn zu helfen.“ Sie wandte sich dem Ritter zu und erschrak vor seinem durchdringenden Blick. „Mir bleibt nur die Hoffnung, dass sich Eure Vorhersage meiner Niederlage als falsch erweist.“
In Yves’ Gesicht schien sich etwas zu regen, aber er blieb stumm.
Gabrielle beugte leicht den Kopf und zog die Kapuze über. „Ich danke Euch für Eure Zeit, Chevalier“, sagte sie beherrscht und verließ ihn.
Sie trat aus dem Zelt und atmete die frische Luft des Frühlings tief ein. Es war niemand zwischen den Zelten, da alle Gäste und Bediensteten den Wettkämpfen auf dem Turnierplatz zusahen. Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf das junge Grün zu lenken, das durch die Erde drang, und die Blumen, die nach dem langen Winter
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