Historical Exclusiv 45
Wohlergehen sorgst, dann solltest du wenigstens an dein Pferd denken.“
Der Knabe sah zu dem Wallach hin, der ihm einen anschuldigenden Blick zuwarf und immer wieder zitterte. Selbst die abgehärteteste Seele hätte sich schuldig gefühlt. Die Lippen des Knappen bebten, und er sah aus, als bräche er gleich in Tränen aus. „Es tut mir leid, Herr.“
Der Ritter senkte seine Stimme. „Gaston, bedauernde Worte ersetzen dir das Tier nicht, wenn du es durch Tollkühnheit verlierst.“
Darauf wusste der Knabe nichts zu erwidern.
Saint-Roux watete ans Ufer, stellte den Jungen auf den Boden und betrachtete ihn streng. Gaston schlurfte verlegen mit den Füßen und besah sich mit großem Interesse seine Fußspitzen, bis Yves seufzte und ihm mit der Hand durch das durchnässte Haar fuhr. Er beugte sich nieder, sodass der Knabe seinem Blick nicht ausweichen konnte.
„Gaston, ich bitte dich, gebrauche das, was zwischen deinen Ohren ist, für mehr als nur für fantastische Geschichten.“
„Ja, Herr.“
„Und gleich wirst du dein Ross sorgfältig trocken reiben, ehe du dich um dein eigenes Wohlbefinden kümmerst.“
„Ja, Herr.“
Der Junge begann heftig zu niesen. Er zitterte, dann wandte er sich ergeben ab, um sein Pferd zu holen. Seinen Kopf ließ er tief hängen. Für Gabrielle war klar, dass Gaston in Yves einen Helden sah, und alles, was der Ritter sagte, ihm sehr zu Herzen ging.
Saint-Roux schüttelte den Kopf, dann schritt er zu seinem eigenen Pferd zurück. Leon und sein Knappe überquerten den Fluss in aller Stille. Auch wenn Gabrielle damit rechnen musste, gerügt zu werden, denn der Ritter hatte noch immer seine Lippen zornig zusammengepresst, fühlte sie sich verpflichtet, zu vermitteln.
„Euer Knappe wird sich erkälten, wenn er nicht bald sein nasses Gewand ablegt“, riet sie.
Yves sah sie nicht an, doch seine Augenbrauen zogen sich zusammen, sodass sie wusste, er hatte ihre Worte vernommen. Sie stellte sich auf ein unangenehmes Wortgefecht ein und fuhr fort: „Lasst ihn im Lager wenigstens etwas heiße Suppe zu sich nehmen, ehe er sich um das Tier kümmert.“
Yves schwang sich in den Sattel und warf ihr einen Blick zu, der selbst Stahl durchdrungen hätte. Zu ihrer Überraschung war seine Stimme wieder ruhig, wenngleich er nur eine knappe Erwiderung von sich gab. „Sind die Nächte hier kalt?“
Gabrielle stellte erstaunt fest, dass er ihren Einwand ernst nahm. Sie beeilte sich fortzufahren, ehe er ihr vielleicht nicht mehr zuhörte. „Die Kälte kommt von den Bergen herab, selbst so spät im Frühling. Und Ihr werdet sehen, unsere Unterbringung ist nicht sehr komfortabel.“
Der Chevalier atmete tief ein, blickte finster zu seinem Knappen, dann sah er wieder zu Gabrielle. „Ihr sprecht wie immer sehr vernünftig, Madame“, gestand er ein und lächelte. „Vergebt mir, dass ich die Geduld mit Gaston verloren habe.“
Sie war überrascht über sein Zugeständnis und die unerwartete Entschuldigung. In Gedanken sah sie, wie ihr Vater einst einen ungehorsamen Knappen auspeitschen ließ. Seine Züge hatten dabei eine Missbilligung gezeigt, die Yves’ nicht unähnlich war.
Und sie erinnerte sich an einen Zornausbruch von Michel, als der kleine Thomas einen Krug unabsichtlich zerbrochen hatte. Er hatte nicht aufgehört zu toben, selbst als der Junge bereits vor Reue weinte.
Die Männer, die Gabrielle kannte, lenkten weder ein noch entschuldigten sie sich. Sie bewunderte diesen Ritter, der beides so bereitwillig tat.
„Er besitzt großen Enthusiasmus“, sagte sie sanft und war über den stechenden Schmerz überrascht, den sie empfand, als sie dabei kurz an ihren Sohn dachte. „Und er legt großen Wert auf Euren Rat.“
„Diese Begeisterung ist das Übel. Er denkt an nichts anderes als Romanzen, Schlachten und das Erstürmen von Festungsmauern.“
Gabrielle drängte ihr Pferd an das Streitross von Yves heran. „Ich bin sicher, er ist ohne Arg.“
„Ein Ritter kann sich solche Fantastereien nicht gestatten“, erklärte er und warf dem zerknirschten Knappen einen kurzen besorgten Blick zu. „Ich befürchte, wenn Gaston sich nicht bessert, wird ihn sein Ungestüm eines Tages den Kopf kosten.“
Gabrielles Herz zog sich zusammen, als sie begriff, wie sehr sich Yves um seinen Knappen ängstigte. Wie ungewöhnlich! Männer trachteten doch einzig nach der Erfüllung ihrer eigenen Bedürfnisse! Das hatte sie selbst nur zu sehr erfahren.
Eine unerwartete Enttäuschung über diese
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