Historical Exclusiv 45
zu zerspringen, so sicher war sie, den richtigen Ritter für ihre Sache gewonnen zu haben.
Die Aufregung ließ sie ihre Stute schneller und schneller antreiben. Sie war so darauf bedacht, ihren Sohn zu erreichen, dass sie schon fast an der Spitze des Zuges war, ehe sie bemerkte, was sie getan hatte.
Sie beging den Fehler, laut nach Atem zu ringen.
Yves drehte sich mit dem Kopf kurz um, als er das Geräusch hörte, und Zorn flammte in seinen Augen auf. Ihre Verkleidung konnte ihn nicht einen Moment täuschen.
„Madame! Was macht Ihr hier?“
Der Chevalier brachte sein Streitross hastig zum Stehen und packte die Zügel ihrer Stute. Der nachfolgende Trupp wich den beiden plötzlich anhaltenden Pferden aus und hielt dann in unmittelbarer Nähe an.
Gabrielle schluckte leicht und sah in Yves’ goldene Augen. „Ich reite mit Euch“, sagte sie so ruhig sie konnte.
Er murmelte etwas wenig Schmeichelhaftes, doch Gabrielle entschied sich, darüber hinwegzuhören. „Madame“, brummte er bedächtig, „das ist kein Ort für eine Frau, noch weniger für eine edle Dame.“
Sie hob das Haupt. „Ihr könnt meinen Sohn nicht ohne mich befreien!“
Yves’ Augen funkelten. „Genau das werde ich tun.“
„Ihr werdet ihn nicht finden“, beharrte sie, entschlossen nicht zurückzubleiben. „Perricault ist eine Burg mit zahlreichen verborgenen Schlupfwinkeln.“
Der Ritter verstärkte seinen Griff um die Zügel. „Wenn nötig, werde ich mit meinen eigenen Händen jeden einzelnen Stein der Burg umdrehen, bis ich Euren Sohn gefunden und zu Euch zurückgebracht habe.“
Seine Worte klangen so überzeugend, dass Gabrielle beinahe ins Wanken geraten wäre.
Indes, sie wollte nicht dabeistehen und zusehen, wie ein anderer ihr Kind befreite. „Er wird weinen“, warf sie ein. „Solltet Ihr heimlich aus der Burg entfliehen müssen, so könnte er Euch unabsichtlich verraten.“
Yves zögerte, und Gabrielle bohrte weiter.
„Diese Nacht wird ihn sicher an jene erinnern, in der Perricault eingenommen wurde. Er ist ein kluger Junge, der gelernt hat, sich vor fremden Rittern zu fürchten, die ihn mitten in der Nacht aus dem Schlummer reißen.“ Ihre Stimme wurde unsicher. „Er wird Angst haben.“
Saint-Roux machte ein nachdenkliches Gesicht, er schaute zu den Wartenden, dann sah er wieder Gabrielle ins Gesicht. Er war sichtlich nicht erfreut darüber, eine Entscheidung treffen zu müssen oder sich mit ihr darüber zu streiten.
„So sehr mir auch missfällt, es zuzugeben“, sagte er mit gesenkter Stimme, doch mit einem warmen Leuchten in den Augen, „Ihr tragt Eure Sache mit klugem Verstand vor.“
Gabrielle hielt den Atem an.
Er sah sie durchdringend an. „Nehmt zur Kenntnis, Madame, dass Ihr stets an meiner Seite reiten werdet.“
Sie wagte es nicht, ihre Erleichterung zu zeigen, und nickte.
„Und Ihr gebt mir Euren heiligsten Eid, dass Ihr meine Befehle sofort und genau befolgt.“
„Aber …“
„ Kein Aber!“ Ärger zeigte sich auf Yves’ Gesicht. „Madame, sollte bei dieser Angelegenheit etwas schief gehen, dann werde ich es nicht dulden, dass Euch etwas zustößt.“ Er warf ihr einen niederschmetternden Blick zu, ehe sie über die Bedeutung seiner Worte nachsinnen konnte. „Habt Ihr mich verstanden?“
Gabrielle holte tief Luft und hielt seinem Blick stand. Sie wusste sehr gut, dass sie diese Auseinandersetzung nicht gewinnen konnte. Wenn sie den Bedingungen nicht zustimmte, würde er sie geradewegs zurück ins Lager schicken.
Und so ungern sie es auch zugab, sie hatte ihn angeworben, weil er das Kriegswesen besser verstand als sie. Seine Forderung war zweifellos richtig.
„Ich stimme zu“, räumte sie leise ein.
Der Chevalier nickte. Er hielt die Zügel der Stute fest im Griff. Auf seinen Befehl hin trabte Merlin los. Sie ritten an der verwundert dreinschauenden Truppe vorbei und übernahmen wieder die Führung.
Gabrielle beachtete die abschätzenden Blicke der Kämpen nicht. Mit hoch erhobenem Kopf starrte sie geradeaus vor sich hin, es war ihr gleichgültig, was sie von ihr dachten. Als Saint-Roux das Zeichen zum Weitermarsch erteilte, blieb sie beharrlich an der Seite des Ritters. Doch in einem geheimen Winkel ihres Herzens spürte sie einen gewissen Triumph. Vielleicht wäre es keine solch entsetzliche Last, diesen Mann zum Gemahl zu nehmen.
Vielleicht konnte sie in dieser Verbindung finden, was sie in ihrer ersten so sehr vermisst hatte.
Vermutlich war sie eine Närrin, an so etwas
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