Historical Exclusiv 45
zu denken.
Yves war wütend darüber, dass Gabrielle ein Wortgefecht heraufbeschworen hatte, dem er nichts entgegensetzen konnte! Sie bei der Kriegsschar zu haben, selbst nahe an seiner Seite, war höchst beunruhigend.
Hier ritt sie also, mit hocherhobenem Kopf und strahlenden Augen, mitten hinein in den Kampf.
Was sollte man mit solch einem Frauenzimmer anfangen?
Ihm blieb keine Zeit, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen, denn nun näherten sie sich dem Fluss. Der Trupp hielt in der Deckung der Bäume an, und Yves sah zum Château empor, das sich gewaltig gegen den Himmel erhob.
Nicht ein einziges Licht erhellte die Mauern. Mit stummer Geste sandte er einige Söldner zu Fuß aus, die wenig später das verabredete Zeichen gaben.
Die Männer strömten lautlos aus dem Schutz des Waldes und bewegten sich wie Schatten hin zur Brücke. Die silberne Mondsichel schwebte hoch über ihnen und spendete genug Licht, damit die Pferde sicher ihren Weg finden konnten, jedoch nicht zu viel, um ihren Angriff zu offenbaren.
Yves hatte veranlasst, die Hufe der Pferde mit Leder zu umwickeln, damit man ihre Tritte auf den Holzplanken der Brücke nicht vernahm. Nachdem sie sie überquert hatten, zog er sein Schwert.
Das verlassene Dorf erstreckte sich zu beiden Seiten des Weges hin, die Türen halb offen, die Fenster gespenstisch leer. Einst hatten zahlreiche Menschen hier gelebt. Yves dachte daran, wie viele seiner Männer wohl Erinnerungen an bessere Zeiten in diesem Ort hatten.
Er dachte auch an die Toten aus jener schicksalsschweren Nacht, die es zu rächen galt.
Es schien jedoch, als ob niemand da wäre, ihrer Rache zum Opfer zu fallen. Nicht ein Laut ertönte von den Mauern Perricaults. Doch die Stille der gewaltigen Feste war bedrückender, als Yves erwartet hatte.
Nichts regte sich.
Keine Wache zeigte sich auf den Wehrgängen. Konnte Philippe Burg Perricault völlig verlassen haben? Der Trupp kam näher, und Saint-Roux merkte, wie ein Schauer des Unbehagens durch die Reihen ging.
Er hielt an, als er das Tor halb offen sah.
Etwas stimmte nicht.
Seymour war neben ihm und runzelte unsicher die Stirn. Dabei deutete er auf das Tor. „Ich werde nachsehen“, sagte er.
Der Chevalier nickte und sah stumm zu, wie der Bewaffnete Methuselah zum Tor drängte. De Crecy stieg ab und spähte vorsichtig durch die Öffnung. Es schien, als hielt die gesamte Truppe den Atem an.
Dann verschwand er aus ihrer Sicht.
Methuselah wieherte, und Gabrielle saß ab und sprang hinzu. Mit aufgerissenen Augen starrte sie auf das Tor. Yves richtete sich hoch auf, sein Blick ging zwischen der Burgherrin und dem Ross hin und her. Gabrielle kannte das Pferd, kannte jeden Laut, den es von sich gab.
Irgendetwas stimmte nicht!
Er kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Sie wurden angegriffen!
Zwei Kessel mit siedend heißem Öl wurden von den Tortürmen herabgegossen. Von den Mauern ertönte Kriegsgeschrei. Das heiße Öl spritzte nach allen Seiten. Die Pferde bäumten sich auf, wieherten angstvoll und ergriffen die Flucht.
In diesem Augenblick ging ein Schwall Pfeile von oben auf sie nieder. Der Hagel der Geschosse fand mehr als ein Ziel unter den überraschten Angreifern. Männer schrien vor Schmerz, Pferde wieherten entsetzlich vor Angst, und es herrschte vollkommenes Durcheinander, wo nur wenige Sekunden zuvor Stille die Nacht erfüllt hatte.
Als er die Männer um sich scharte, bemerkte Yves, dass weitere Truppen Philippes aus dem Wald gestürmt kamen.
Man hatte sie verraten!
Genau wie Gabrielle befürchtet hatte. Doch die Wahrheit war nun kein Trost.
Zum zweiten Mal in einer beunruhigend kurzen Zeitspanne hatte Yves sich mehr von Gefühlen leiten lassen als von seinem Verstand! Er wollte Gabrielle zu sehr zufrieden stellen, und diese Inbrunst hatte ihn in die falsche Richtung gelenkt.
Verflucht sei sein törichtes Vertrauen! Er konnte nur hoffen, dass der Preis für seine Torheit nicht zu hoch sein würde.
Gabrielle war wie gelähmt über die Geschwindigkeit und Härte, mit der der Gegenangriff geführt wurde. In einem Augenblick noch war alles friedlich gewesen, wenn auch spannungsgeladen, im nächsten Moment herrschte auf allen Seiten Chaos.
Der Kämpe zu ihrer Rechten blickte zu den herabschnellenden Pfeilen empor, und seine Kehle wurde von einem der Geschosse durchbohrt, ehe er sich abwenden konnte. Entsetzt sah Gabrielle ihn von seinem Streitross fallen.
Männer schrien von allen Seiten, und ringsum waren Pfützen
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