HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
meine beschädigte Ware“, erklärte der Ägypter und legte eine Beharrlichkeit an den Tag, die Jed ihm gar nicht zugetraut hätte.
„Ich sagte, Sie sollen mich in Ruhe lassen, Ali!“ Jed beschleunigte seinen Schritt, sodass der andere kaum mitkam.
„Das werde ich nicht tun“, versetzte der Krämer und streckte die Hand nach dem streitsüchtigen Amerikaner aus, um ihn festzuhalten.
„Ich empfehle Ihnen, die Hand von meiner Schulter zu nehmen und zu Ihrer Werkstatt zurückzukehren“, sagte Jed gefährlich leise. „Es sei denn, Sie wollen unbedingt so enden wie die letzten beiden Männer, die mich anfassten.“
Ali ließ den Amerikaner los, stellte sich ihm jedoch in den Weg und schimpfte weiter. Schließlich langte es Jed. Er biss die Zähne aufeinander und versetzte dem Ägypter einen solchen Stoß, dass er im Straßenstaub landete. Dort ließ er ihn liegen und hörte nicht mehr auf sein Gezeter.
Leider hatten die Ereignisse in der Medina Jed die ganze Stimmung sowie die Freude verdorben, die er in der Flasche Sabib gefunden hatte. Seufzend beschloss er, sich noch ein paar Gläser zu genehmigen, bevor er die Suche nach einer Frau fortsetzte. Er besaß genug Selbstbeherrschung, um seine Befriedigung noch ein wenig hinauszuzögern, und außerdem wollte er seinen Ärger nicht mit ins Bett nehmen, wo immer er heute Nacht auch schlafen würde.
Die Anwesen der wohlhabenden Ausländer waren mit der Armut und dem exotischen Leben im arabischen Viertel in keiner Weise zu vergleichen. Hinter den Toren der Briten und der Franzosen wohnten Schönheit, großer Reichtum sowie geordnete Eleganz, wenn auch keine wirkliche Behaglichkeit. Zumindest war dies die Ansicht, die die zwanzigjährige Victoria Shaw von ihrer Welt hatte.
Drückende Hitze lag über dem Nil; die Luft flimmerte über dem Land auf der anderen Flussseite. Victoria fühlte sich sehr elend, obwohl sie so luftig gekleidet war, wie es der Anstand erlaubte. Sie trug eine weiße Baumwollbluse mit losen Ärmeln, die zu ihrem blauen Rock passte. Auf ein Korsett hatte sie längst verzichtet, dennoch schwitzte sie, mochte das nun damenhaft sein oder nicht.
Sie steckte sich eine herausgerutschte blonde Locke in ihre in Auflösung begriffene Frisur zurück und begab sich dann in den wirkungslosen Schatten einer nahe stehenden Palme. Was würde sie nicht dafür geben, wenn sie sich jetzt unter eine echte englische Eiche oder einen Walnussbaum hätte stellen können!
Seit sich die Familie in Ägypten niedergelassen hatte, bemühte sich das Personal ihres Vaters emsig darum, das Anwesen der Shaws, welches direkt am Fluss lag, in eine kleine erfrischende grüne Oase zu verwandeln. Das alles war freilich nichts gegen die kühlen Wiesen in Warwickshire, die Victoria noch aus ihrer Kindheit erinnerte. Obwohl sie jetzt schon seit zehn Jahren am Rand der ägyptischen Wüste lebte, dachte sie noch immer voll Sehnsucht daran, wie sie daheim barfuß über das tauige Gras gelaufen war.
Sie setzte ihren Strohhut ab und fächelte sich damit erfolglos Luft zu. „Weißt du, Mutter“, sagte sie nachdenklich, „worauf ich mich in meinen Flitterwochen am meisten freue? Darauf, einmal wieder Kälte zu fühlen und richtig von Kopf bis Fuß durchzufrieren.“
„Nicht doch, Victoria!“ Dass ihre Tochter derartige Vorstellungen hatte, entsetzte Mrs. Shaw. Sie war immer davon ausgegangen, dass Victoria Hayden Reed geradezu anbetete und ihn unbedingt heiraten wollte. Was war nur jetzt über sie gekommen? Ehe Mrs. Shaw ihre Bestürzung zu äußern vermochte, lachte ihre Tochter fröhlich.
„Nun schau doch nicht so erschrocken drein, Mutter! Ich will doch nicht bei Hayden durchfrieren. Vielmehr erwarte ich, dass mir ziemlich heiß wird, wenn er mir zeigt, was Eheleute so miteinander tun“, gab sie zu und dachte an die Umarmung von gestern Abend. „Allerdings freue ich mich tatsächlich auf das englische Wetter, obwohl es schon November sein wird, wenn wir dort ankommen. Bei der vielen Hitze hier kann ich mir gar nicht vorstellen, dass ein richtiger englischer Winter unangenehm sein sollte.“
„Denke nur an die nasse Kälte, die dir durch und durch geht, auch wenn das Feuer im Kamin noch so gut brennt, und obwohl du dich in warme Gewänder hüllst und jede Menge heißen Tee trinkst.“ Grace Shaw schaute unter ihrem Parasol hervor, mit dem sie ihren zarten Teint vor der ägyptischen Sonne schützte. „Ich möchte darauf lieber verzichten. Dein Vater und ich sind hier in
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