HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Gefahr, dass seine früheren Kumpane ihn erkannten oder – was noch schlimmer wäre – dass er einem seiner neuen Bekannten, die in Barbary Coast nach einem sündigen Vergnügen Ausschau hielten, über den Weg liefe. Digger war jemand gewesen, der sich um nichts scherte, aber bei Deegan war das etwas anderes.
Das hoffte er zumindest.
Doch eine Stunde später stand er bereits mitten in seinem alten Viertel. Wieder einmal war der Geruch der Gefahr zu stark für ihn gewesen, um ihn zu missachten. Er blieb an der Kreuzung der Sansome und der Jackson Street stehen und blickte auf den schmalen Durchgang zwischen zwei rußverschmutzten Gebäuden. Dahinter konnte er das verfallene Haus sehen, wo vor zwanzig Jahren Trusty O’Rourke, Hannah und er ein paar Zimmer bewohnt hatten. Dort lebte Hannah auch jetzt noch.
Die Unruhe, die ihn schon seit einiger Zeit erfasst hatte, führte ihn nun zu seinen Wurzeln zurück. Doch die Vorstellung, wie kühl Hannah ihn vielleicht begrüßen würde, ließ ihn einen Moment innehalten und nachdenken. Er war damals verschwunden, ohne sich zu verabschieden. Mitten in der Nacht hatte er das bisschen Geld, das Trusty noch nicht verspielt oder vertrunken hatte, mitgenommen und war gegangen. Eine Woche später war es Deegan zu Ohren gekommen, dass man Trusty tot mit einem Messer zwischen den Rippen aufgefunden hatte. Hannah war also plötzlich allein und ungeschützt. Damals hatte Deegan einem wohlhabenden Bankier seine dicke Brieftasche entwendet und Hannah sogleich den Inhalt zugeschickt. Doch anstatt nach Barbary Coast zurückzukehren, hatte er sich den Staub von den Straßen der Stadt aus den Kleidern geschüttelt und war abgereist. Er hatte in der Zwischenzeit Hannah mehr als genug Geld zukommen lassen, damit sie seinem Beispiel folgen konnte, doch sie war stets dortgeblieben.
Wie würde sie jetzt aussehen? So hübsch und fröhlich wie damals? Oder erschöpft und eingefallen wie so viele der Frauen, die dazu gezwungen waren, ihren Körper feilzubieten?
Zögernd wippte Deegan auf seinen Absätzen vor und zurück und hätte beinahe sein Gleichgewicht verloren, als ein Wirbelwind, in braunen Wollstoff gehüllt, um die Ecke sauste und gegen ihn prallte.
Die Frau warf einen entsetzten Blick über ihre Schulter, drehte sich dann um und klammerte sich an Deegan, wobei sich ihre Fingernägel tief in den festen Stoff seiner Jacke gruben. „Helfen Sie mir“, keuchte sie. „Ein Mann …“
Deegan legte den Arm um ihre schmale Taille, um sie zu beruhigen. Er schaute in zwei Augen, die so strahlend und hell wie das vom Mond beschienene Meer waren. Die Frau sah ihn flehend und verängstigt an, doch seltsamerweise schien sie ihm zu trauen.
Wahrscheinlich würde er es noch bedauern, doch Deegan entschloss sich, dem Flehen in ihrer Stimme nicht zu widerstehen. Oder vielleicht war es auch das Versprechen einer drohenden Gefahr, das er in ihren Augen sah.
Er blickte sie aufmerksam an und zog sie dann mit sich. „Still, meine Liebe“, warnte er sie und eilte mit ihr durch den schmalen Spalt zwischen den Gebäuden.
2. KAPITEL
Lilly sah noch immer das Gesicht von Belle Taubers Mörder vor sich. Er hatte hochgeblickt und sie dabei entdeckt, wie sie sein Verbrechen im Schatten des Hauses beobachtet hatte. Und dann …
Alles, was sie seit diesem entsetzlichen Moment getan hatte, war in einen dichten Nebel gehüllt. Sie wusste nicht einmal, wohin ihre panische Flucht sie geführt hatte. Doch der starke Arm, der sie nun umfasste, hatte etwas Beruhigendes – ganz so, wie auch die gelassene Stimme ihres unbekannten Retters.
Sie fragte sich gerade, ob es tatsächlich klug gewesen war, sich ihm einfach zu überantworten, als er sie vorsichtig hochhob und ihr dabei rasch die Hand auf den Mund legte, als sie verängstigt aufschreien wollte.
„Still“, befahl er ihr.
Sein singender Tonfall hörte sich an, als sei er belustigt, weshalb Lilly ihn verwirrt ansah.
„So ist es gut“, sagte er und setzte sie und ihre schwere Kamera hinter einem Stapel leerer Holzkisten auf dem Boden ab.
Aus Angst schwieg Lilly. Sie wusste, dass Belles Mörder sie gesehen hatte. Wenn er die Leiche der Prostituierten nicht erst hätte beiseiteschaffen müssen, wäre es für ihn bestimmt nicht schwierig gewesen, sie einzuholen. Er war sogar so schnell, dass Lilly seine Schritte vernommen hatte, noch ehe sie ganz aus der Gasse heraus gewesen war.
Nur wenige Augenblicke waren seitdem vergangen. Jetzt befand sie sich in einer
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