HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
würdest.“
Hannah war bereits am Ofen beschäftigt und würdigte ihn kaum eines Blicks. „Hast du dein Geld beim Spiel gewonnen?“, fragte sie und setzte einen Kessel mit Wasser auf.
„Macht das irgendeinen Unterschied?“, entgegnete er.
Die Gastgeberin war inzwischen damit beschäftigt, kleine Porzellantassen aus der Kommode zu holen. „Nein, natürlich nicht“, antwortete sie und stellte das Geschirr auf ein Tablett. „Aber diese arme junge Dame hält uns wahrscheinlich für sehr ungezogen, weil du uns noch gar nicht vorgestellt hast.“
„Schockierend, nicht wahr?“, sagte Mr. Galloway, wobei seine Stimme Lilly auf einmal an die Figur eines englischen Adeligen erinnerte, die sie einmal in einem Theaterstück gesehen hatte. Die Tatsache, dass Galloway so einfach von dem typischen Verhalten eines irischen Einwanderers zum manierierten Benehmen eines englischen Aristokraten wechseln konnte, ließ sie vermuten, dass er Schauspieler war, der die Herzen der Zuschauerinnen im Sturm eroberte.
Sie jedenfalls war bereits von ihm verzaubert. Er trat auf sie zu und verbeugte sich gespielt höflich. „Mein gutes Mädchen, wie Sie vermutlich schon erraten haben, ist die charmante Dame des Hauses nicht nur ein Engel, der den Bedürftigen zu Hilfe eilt, sondern auch meine liebste Freundin Mrs. Hannah McMillan.“
Hannah spielte sogleich mit und wies mit großer Geste auf Galloway. „Und dieser Herr ist nicht nur mein Bankier, sondern mir auch so lieb, als wäre er mein eigener Sohn“, sagte sie. „Darf ich Ihnen Mr. Dig…“
„Deegan Galloway“, unterbrach ihr Freund sie eilig.
Lilly glaubte für einen Moment, dass sich in Hannahs Augen Überraschung zeigte. Doch bereits kurz darauf wusste sie nicht mehr, ob sie sich nicht getäuscht hatte. „Mein liebster Freund Deegan Galloway“, sagte die Gastgeberin mit einem warmen Lächeln.
„Und ich bin Miss Renfrew. Lillith Renfrew“, stellte sich Lilly vor.
Hannah setzte sich neben sie auf die Couch.„Lillith. Was für ein hübscher Name!“
„Danke. Ich habe mir oft gewünscht, einen weniger altmodischen Vornamen zu haben.“
„Unsinn. Er passt zu Ihnen“, entgegnete Hannah. „Es ist ein Name, den nur eine Persönlichkeit tragen kann, und ich sehe deutlich, dass Sie eine Dame mit Charakter sind. Vielleicht sitzen Sie Deegan ja einmal Porträt, da er nun zu fotografieren scheint.“
„Die Kamera gehört Miss Renfrew.“
„Wirklich?“ Sie nahm aufgeregt Lillys Hand. „Dann müssen Sie die berühmte Miss Lilly sein, von der ich schon so viel gehört habe.“
Die Fotografin errötete vor Freude. „Ich würde mich nicht als berühmt bezeichnen“, wandte sie bescheiden ein. „Aber es stimmt. Ich habe in den letzten Wochen von den Frauen und Kindern aus der Nachbarschaft Fotos gemacht.“
„Sie haben wunderbare Fotos gemacht“, korrigierte Hannah sie. Sie sprang auf und nahm ein paar der gerahmten Fotografien von ihrer Kommode. „Ich sollte es wissen, denn ich bewahre einige von ihnen hier bei mir auf.“
Sie reichte die Bilder an Lilly weiter. Auf einmal erkannte diese einige der Gesichter wieder, die sie in letzter Zeit festgehalten hatte. Es waren Frauen wie Belle, deren Schönheit vergangen oder zerstört worden war, und Kinder wie Otis, die unterernährt und schmutzig waren und aufgrund ihres Lebens in Barbary Coast frühreif wirkten.
Hannah erzählte zu jeder einzelnen Aufnahme das Schicksal der Dargestellten. „Die Leute wissen, dass ich immer hier sein werde, falls sie die Bilder wiederhaben wollen“, erklärte sie. „Ihre Großzügigkeit ist wunderbar, Miss Renfrew. Ich glaube, dass Ihre Fotografien oft mehr geschätzt werden als das Brot und die Suppe von der Missionsküche.“
Lilly, die heimlich Deegan Galloways Gesicht beobachtet hatte, bemerkte, wie sich seine Züge beim letzten Satz verhärteten. „Machen Sie mich nicht besser, als ich in Wahrheit bin, Mrs. McMillan“, widersprach sie. „Ich mache diese Aufnahmen aus ganz selbstsüchtigen Gründen. Ich bin immer noch dabei, mein Handwerk zu erlernen …“
„Unsinn“, unterbrach Hannah sie. „Sie sind eine herzensgute Frau und tun Ihrer Familie viel Ehre an. Während wir auf den Tee warten, sollten Sie sich jedoch ein wenig frisch machen. Im Zimmer nebenan finden Sie alles, was Sie brauchen.“
Noch ehe Lilly widersprechen konnte, fand sie sich im Schlafzimmer wieder und war damit beschäftigt, den Staub aus ihrem Rock zu bürsten.
Hannah schloss leise die Tür
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