HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
und faltete die Hände über ihrer Taille. Deegan, der es sich im Sessel bequem gemacht hatte, erinnerte sich noch gut an diese Geste. So überraschte es ihn nicht weiter, als sie ihn auf einmal ernst anblickte. „Versprich mir, dass du später zu mir kommst und mir erzählst, was mit dir geschehen ist, Digger“, sagte sie streng.
„Das werde ich tun, meine Liebe“, beteuerte er ihr leise. „Es tut mir leid, dass ich so lange nicht da war.“
„Das sollte es dir auch.“ Als das Wasser zu kochen begann, nahm Hannah einen Lappen und hob den Kessel vom Ofen. „Im Augenblick ist es jedoch wichtiger, dass wir uns um Miss Lilly kümmern. Die Vorstellung, was ihr hätte geschehen können, wenn du nicht gewesen wärst, ist einfach schrecklich.“
„Dieser Schweinehund hätte sie bestimmt erwischt“, erwiderte Deegan. „Glaubst du wirklich, dass sie gesehen hat, wie diese Belle umgebracht wurde?“
Hannah goss heißes Wasser in die Teekanne. „Wir leben in Barbary Coast, Digger“, meinte sie. „So etwas geschieht hier ständig. Aber ob Miss Lilly tatsächlich einem Mord beigewohnt hat?“ Sie zuckte die Schultern. „Jedenfalls scheint sie fest davon überzeugt zu sein. Ich habe das Gefühl, du bist es nicht ganz.“
Er streckte die Beine aus und schob die Hände tief in die Hosentaschen. „Nein“, gab er stirnrunzelnd zu. „Ich glaube, dass sie etwas Schreckliches mit ansehen musste, aber es ist mir nicht klar, ob es tatsächlich ein Mord war. Mir gefällt es jedenfalls gar nicht, die Polizei einzuschalten. Wir beide wissen, was sie tun wird.“
Hannah nickte und stellte den leeren Wasserkessel beiseite. „Nichts“, sagte sie. „Aber ich kann es ihr nicht einmal verübeln. Die Constabler sind hier schließlich Außenseiter.“ Sie sah ihren alten Freund aufmerksam an. „Hier bist du also wieder, Digger. Du bist lange fort gewesen.“
Digger O’Rourke war tatsächlich schon sehr lange verschwunden. Doch das bedeutete nicht, dass er sich nicht wieder in sein früheres Leben hineinfinden konnte. Hatte er nicht bereits im Treppenhaus in alter Gewohnheit jede Holzplanke, die etwas lose war, vermieden? Die Jahre hatten seine Erinnerung an Barbary Coast nicht getrübt, und die Zeit hatte seine Talente, die er hier über Jahre hinweg ausgebildet hatte, nicht schwächer werden lassen.
Er musste lächeln. Seit Monaten schon hatte er sich nicht mehr so lebendig gefühlt. „Kennst du diese Belle?“, fragte er Hannah.
„Es gibt viele Frauen, die sich Belle nennen. Aber ich glaube, dass eine von Karl Severns Frauen heute ihren Geburtstag feiern wollte. Und das ist ungewöhnlich, denn nur wenige wollen nach den Jahren als Prostituierte noch an ihr Alter erinnert werden.“
„Severn?“, fragte er. „Den Namen kenne ich nicht. Wer ist das?“
„Jemand, dem ich bisher erfolgreich aus dem Weg gegangen bin“, entgegnete sie. „Und das solltest du auch tun.“
„Wenn es der Kerl ist, der unsere Miss Lilly gejagt hat, stimme ich völlig mit dir überein.“ Deegan stand auf. „Kümmere dich ein bisschen um sie, ja? Ich möchte ihren Weg zurückverfolgen und sehen, was ich herausfinden kann.“
Hannah wusste, dass es sinnlos war, ihn von irgendetwas abhalten zu wollen. „Sei bitte vorsichtig. Falls Miss Lilly tatsächlich Zeugin eines Mordes geworden ist, wird es nichts nützen, einen Jungen wie Otis zu bestechen, was du sicher getan hast. Severn wird herausfinden, wer sie ist.“
„Dann tu mir einen Gefallen, und suche eine schlichte Verkleidung für sie heraus. Ich werde eine geschlossene Droschke besorgen und sie bis zur Tür begleiten.“ Deegan beugte sich zu Hannah herab, um sie auf die Wange zu küssen. „Ich bin zurück, noch ehe du merkst, dass ich fort bin.“
„Das ist unmöglich“, flüsterte sie und umfasste sein Gesicht. „Ich merke es jetzt schon. Pass auf, Digger. Ich könnte es nicht ertragen, dich gleich zwei Mal zu verlieren.“
Hannah hätte sich keine Sorgen machen müssen. Wenn Deegan in seinem bisherigen Leben eines gelernt hatte, dann war es, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Bis jetzt war ihm das noch immer geglückt.
Er ging leise die Treppe hinunter und dachte an Miss Lillith Renfrews ungewöhnlich schöne Augen. Sie war ihm ein Rätsel. Einerseits schien sie leicht aus der Fassung zu bringen zu sein, andererseits wirkte sie wie eine Frau, die wusste, was sie wollte. Es war seltsam, dass Hannah sie für seine Braut gehalten hatte. Wenn man Miss Renfrew
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