HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
überzeugt, dass sie sofort in den Salon lief, um sie von dort aus durch die Spitzenvorhänge zu beobachten. „Ich danke Ihnen“, sagte Lilly laut und fügte dann flüsternd hinzu: „Für alles.“
Deegan war bereits die Treppe zur Straße hinuntergegangen. Jetzt drehte er sich noch einmal um und lächelte. „Für alles, meine Liebe?“ Wieder färbte der irische Akzent seine Stimme.
Obwohl er mehrere Fuß von ihr entfernt war, hatte sie das Gefühl, als ob seine Lippen über die ihren gestrichen wären. Bei der Erinnerung an den Kuss stieg ihr Röte in die Wangen.
„Das dachte ich mir.“ Er zwinkerte ihr zu und setzte sich den Hut auf. Dann winkte er und stieg in die wartende Kutsche.
Lilly sah der Karosse nach, bis sie verschwunden war.
Leise drangen Walzerklänge aus dem Ballsaal in die holzgetäfelte Bibliothek. Die Standuhr in der Eingangshalle schlug elf Mal, doch von den Männern, die gemeinsam um einen Tisch in der Mitte des Raumes saßen, achtete keiner darauf. Deegan trug wie die drei anderen untadelige schwarze Beinkleider und einen Frack und hielt Spielkarten in der Hand. Ein Leuchter erhellte den Tisch, während der Rest des Zimmers im Halbdunkel lag. Es musste ein kleines Vermögen gekostet haben, die reich bestückte Bibliothek auszustatten. Einige der Möbel stammten aus Europa, die Teppiche aus dem Orient, und die großen Bücher auf den Regalen kamen aus den Sammlungen verarmter Aristokraten.
Ein Mann nach dem anderen warf seine Karten auf den Tisch. Deegan war der Letzte, der ebenfalls aufgab. „Hier haben Sie es“, sagte er.
Ihm gegenüber saß Pierce Abbot, eine Zigarre zwischen den Zähnen, und rieb sich zufrieden die Hände, ehe er seinen Gewinn einstrich. „Was, zum Teufel, ist nur los mit dir, Galloway?“, fragte er. „Verdammt, ich hatte noch nie so viel Glück im Spiel, wenn du mit von der Partie warst.“
„Das hatte noch keiner von uns“, meinte Abner Lazenby, der rechts von Deegan saß. Er nahm die übrig gebliebenen Karten auf und begann sie zu mischen.
„Vielleicht will er sich für die Kutsche und den Fahrer bedanken, die er mir einfach entwendet hat“, sagte Pierce undeutlich.
„Vielleicht trauert er auch um unseren Kaiser“, schlug Tom Spangler vor, bevor er sein Glas mit Champagner leer trank.
„Unsinn!“, rief Lazenby. „Mit einem so versunkenen Blick in unbestimmte Fernen? Galloway denkt bestimmt an eine Frau.“
„Aha, auch die Unverwundbaren muss es einmal treffen“, sagte Pierce und blies einen Rauchkringel an die Decke. „Hat dich Cupidos Pfeil tief getroffen, Galloway?“
Deegan lehnte sich zurück und holte seinen Tabaksbeutel und das Zigarettenpapier aus der Westentasche. „Ich bin heute tatsächlich beim alten Norton vorbeigegangen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.“
„Aha“, stellte Spangler fest. „Er versucht, das Thema zu wechseln. Es muss also wirklich eine Frau im Spiel sein.“
„Sollten wir jetzt nicht die Austern probieren, die unsere Gastgeberin vorhin angeboten hat?“, fragte Deegan.
„Das lohnt sich nur, wenn man nicht nach Hause zu seiner Ehefrau muss“, sagte Lazenby resigniert. „Nach zwanzig Jahren Ehe wirken nicht einmal mehr Austern. Wir sollten uns lieber eine Flasche Whiskey besorgen und …“
„Das finde ich auch“, unterbrach ihn Spangler und schob seinen Stuhl zurück. „Los, Lazenby, suchen wir uns eine Flasche. Warte mit deiner Liebesgeschichte, bis wir zurück sind, Galloway.“
Die beiden Freunde erhoben sich und verließen die Bibliothek.
Deegan hatte inzwischen seine Zigarette fertig gerollt und zündete sie sich nun an. Er zog den Rauch tief ein.
„Du bist heute Abend ungewöhnlich zurückhaltend“, stellte Pierce fest. „Ich habe dich seit deiner Rückkehr aus England nicht mehr so erlebt.“
Deegan musste zugeben, dass diese Beobachtung stimmte. Auch wenn er der Erste gewesen war, der Garrett Blackhawk beteuert hatte, dass Winona Abbot einen Mann wie ihn brauche, war etwas in ihm zerbrochen, als sein Freund sie dann tatsächlich geheiratet hatte. Hatte er sich in Wahrheit der törichten Hoffnung hingegeben, dass sie ihm nicht nur verzeihen, sondern ihn auch noch dem wohlhabenden Baron vorziehen würde? Winona hatte Garrett nicht wegen seines Vermögens geheiratet. Sie hatte ihn deshalb sogar ursprünglich abgelehnt. Doch wenn man die beiden zusammen sah, kam niemand mehr auf die Idee, dass es sich um eine Vernunftehe handelte. Jedermann konnte sehen, wie sehr sie ineinander
Weitere Kostenlose Bücher