HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
von Barbary Coast. Mit ihnen ließ auch Lillys Anspannung etwas nach. Doch wie sollte sie ihrer Familie die Verspätung erklären? Indem sie ihnen die Wahrheit sagte?
„Sie müssen mich nicht honorieren, Miss Renfrew. Denken Sie einfach an mich als Ihren guten Samariter.“
Sie würde ihn bestimmt eher als den faszinierendsten Mann im Gedächtnis behalten, der ihr jemals über den Weg gelaufen war. „Das werde ich. Aber …“
„Wenn ich ein Ladenbesitzer wäre, würde ich Ihnen vielleicht sogar zustimmen“, unterbrach Deegan sie. „Aber das bin ich nicht, und ein Lächeln wäre schon mehr als genug.“
Ein Lächeln! Dieser Mann war entweder verrückt oder unheilbar romantisch. Natürlich war dieser Satz zu leicht dahingesagt gewesen, um ernst gemeint zu sein. Wahrscheinlich hatte er ihn schon oft in ähnlichen Situationen verwendet.
Doch Lilly war das völlig gleichgültig.
„Ich würde etwas Greifbareres bevorzugen“, erklärte sie.
Deegan lehnte sich in die Ecke und lächelte. „Ich will Ihr Geld nicht.“
„Dann ein Porträt“, schlug sie vor. „Ich bin als Fotografin nicht schlecht und …“
„Auch kein Porträt“, sagte er.
Sie dachte nach. Deegans Blick schweifte kurz zu ihren Lippen. Wie unschicklich es doch war, mit ihm allein zu sein! Er war schließlich ein Fremder, der ihr nicht von ihrer Familie vorgestellt worden war.
Lilly wünschte sich sehnlichst, er würde sie fragen, ob sie sich wiedersehen könnten. Doch sie bezweifelte, dass er das tun würde.
„Ich könnte mir vielleicht auch eine Geschichte ausdenken, wie wir uns kennengelernt haben, und Sie zu uns zum Dinner einladen“, sagte sie leise.
„Das würde nicht klappen“, meinte er.
Sie seufzte. „Ja, das glaube ich auch. Diese ganze Situation ist so ungewöhnlich für mich. Ich kann augenblicklich nicht klar denken, aber mir wird bestimmt noch etwas einfallen.“
Sie knöpfte den Umhang auf, um auch dieses Kleidungsstück in der Kutsche zurückzulassen. „Sie müssen leider etwas Geduld mit mir haben, Mr. Galloway.“
„Geduld gehörte noch nie zu meinen Tugenden“, erklärte er lächelnd. „Hannah könnte Ihnen bestätigen, dass ich so oder so nicht sehr viele Tugenden besitze.“
„Unsinn“, erwiderte sie und schaute dann nervös aus dem Fenster.
Die Kutsche begann nun, die Jackson Street hinaufzufahren. Nachdem sie den auffälligen Hut abgesetzt hatte, löste sich ihre Frisur auf, und Locken fielen ihr ins Gesicht. Zudem war ihr Rock über und über mit Staub bedeckt. Ihre Erscheinung war alles andere als vollkommen und hätte so bestimmt nicht einmal einen interessierten Mann angezogen.
Deegan zeigte sich kein bisschen interessiert. Seine Erlebnisse mit schönen Frauen waren vermutlich mannigfaltig, und sie konnte sich bestimmt nicht einmal annähernd mit den glamourösen weiblichen Personen, wie er sie wohl kannte, messen.
„Dürfte ich einen Vorschlag machen?“, erkundigte er sich höflich.
Eine erfahrenere Frau hätte sofort vermutet, worauf eine solche Frage hinauslief. Aber Lilly wandte sich ihm völlig arglos zu. „Tun Sie das bitte.“
„Ein Kuss“, sagte Deegan.
Sie sah ihn verständnislos an. „Wie bitte? Haben Sie gerade …“
„Ein Kuss“, wiederholte er lächelnd.
Sie senkte sogleich den Blick. Wie unschicklich aufgeregt sie plötzlich war! Anstatt ihn anzusehen, begutachtete sie einen Fleck auf ihren Handschuhen.
„Ein Kuss“, sagte sie leise. „Es tut mir leid, Mr. Galloway …“
Deegan seufzte. „Es ist unverfroren von mir.“
Sie sah ihn an. „Oh nein. Ich habe nur keine Erfahrung in solchen Dingen und …“
Er schien keiner weiteren Ermunterung zu bedürfen. „Zum Glück, Miss Renfrew …“, er legte ihr einen Arm um die Taille, um sie an sich zu ziehen, „… habe ich das schon.“
Lillys Puls schlug so heftig, dass sie seine Antwort kaum wahrnahm. Er wollte sie küssen. Sie! Diese Vorstellung kam so unerwartet, dass es gar nicht wichtig war, wie wenig sittsam sein Verhalten sein mochte. Es war auch nicht sittsam von ihr, es ebenfalls zu wollen. Aber genau das tat sie. Sie musste ihren Verstand verloren haben.
Sein Arm fühlte sich so warm und stark an, dass sie sich ganz beschützt vorkam. Doch wer würde sie vor Deegan schützen?
Ihre Hände legten sich wie von selbst auf seine Brust. Eigentlich sollte sie ihn wegstoßen und ihm erklären, dass sie eine tugendhafte Frau war.
Doch wie verführerisch war die Vorstellung, mit ihm zu verschmelzen, mit
Weitere Kostenlose Bücher