HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
du die Dame davor bewahren möchtest.“ Er setzte sich bequemer hin.
Deegan schüttelte nachdenklich den Kopf. „Ja und nein.“ Als Pierce nicht nachfragte, sondern nur erwartungsvoll die Brauen hochzog, fuhr er fort: „Sie befand sich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Ich habe ihr geholfen, sicher nach Hause zu kommen. Aber jetzt befürchte ich, dass sie versuchen wird, dorthin zurückzukehren, wo sie nicht hingehört.“
„Ich glaube, ich könnte jetzt auch ein Glas Whiskey vertragen“, sagte Pierce.
Sein Freund lächelte. „Ja, ich weiß, dass alles sehr rätselhaft klingt. Aber ich weiß nicht, ob ich mehr erzählen sollte.“
Pierce klopfte die Asche von seiner Zigarre. „Der Ruf der Dame soll also nicht gefährdet werden. Du kannst von mir aus so rätselhaft klingen, wie du willst; doch ich muss zugeben, dass es mich umwirft, dich so rücksichtsvoll zu erleben.“
„So schlimm bin ich nun auch wieder nicht“, entgegnete Deegan. „Ich mag hinter dem Vermögen deiner Schwester her gewesen sein …“
„Unter anderem“, warf Pierce ein.
Sein Freund wurde verlegen. Anscheinend hatte man ihm zwar vergeben, dass er zwei Frauen gleichzeitig den Hof gemacht hatte, aber das bedeutete nicht, dass man es vergessen würde.
„Ja“, sagte er leise. „Allerdings habe ich weder Winona noch Leonore Cronin in eine kompromittierende Lage gebracht, obwohl ich damit mein ursprüngliches Ziel erreicht hätte.“
„Das stimmt“, gab Pierce zu. „Hat diese nette Frau Vermögen?“
„Das bezweifle ich.“ Deegan dachte an die gepflegte, aber keineswegs reiche Gegend, in der Lilly wohnte. „Sie ist aber auch nicht arm. Sie ist eine Dame, die repräsentieren kann, deren Hände aber durchaus auf regelmäßige Hausarbeit hinweisen.“
Sein Freund blickte ihn nachdenklich an. „Du hast doch einen Grund, warum du mir all das erzählst. Ich soll etwas für deine tugendhafte neue Bekannte tun, nicht wahr?“
Deegan sah plötzlich wieder Lillys Gesicht vor sich: ihre geröteten Wangen und ihre hübschen hellen Augen, die geleuchtet hatten, als er sie geküsst hatte. So wollte er sie behalten – strahlend und lebendig.
„Ja, mein Lieber“, antwortete er. „Das sollst du tatsächlich.“
Severn hing am Eingang zum Saloon herum und genoss seine Zigarre. Aus dem Augenwinkel beobachtete er eine seiner Huren, die sich gerade an einen Hafenarbeiter heranmachte. Während sie den Kerl dazu brachte, ihr ins Bordell zu folgen, tat sich Severn an der Zigarre gütlich. Er konnte sich jetzt den besten Tabak leisten, was er früher nie für möglich gehalten hatte. Damals hatte er allerdings auch noch nicht seine wahre Berufung entdeckt. Es war noch vor dem Zusammenlegen der Geschäfte mit seinem Partner gewesen. Zu jener Zeit hatte er sich noch den Anschein gegeben, ein ehrlicher Mann zu sein.
Eigentlich war es zum Lachen. Er hatte niemals in einen richtigen Salon gehört und auch nicht das kleinbürgerliche Leben führen wollen, das sich seine Großeltern für ihn vorgestellt hatten. Sie hatten beide stets rasch die Rute hervorgeholt, um ihn auf den rechten Weg zu prügeln. Doch es war ihnen nicht gelungen. Seine Mutter war einstmals von zu Hause weggelaufen, um seinem draufgängerischen Vater zu folgen, der als Barbier durchs Land zog. Erst als er sie verlassen hatte, war sie auf die Farm ihrer Eltern zurückgekehrt. Zu dieser Zeit waren die Weichen bereits gestellt gewesen. Kaum fünf Monate später war Severn auf die Welt gekommen, und danach hatte sich seine Mutter für immer aus dem Staub gemacht.
Als Junge hatte er sich große Mühe gegeben, seine Pflicht zu tun. Er hatte hinter dem Pflug geschwitzt und war regelmäßig in die Kirche gegangen, um für Erlösung zu beten. Doch diese Erlösung hatte schließlich ganz anders ausgesehen, als er sich das vorgestellt hatte. Sie war in Gestalt einer blauäugigen Verführerin erschienen, die zwei Tage nach der Beerdigung seines Großvaters plötzlich aufgetaucht war.
Sie war ein waschechtes Luder gewesen und jeden Cent wert, den er für sie stahl. Als die Ersparnisse seiner Großmutter, die sie unter den Bodenbrettern in der Küche versteckt hatte, aufgebraucht waren, hatte Severn den nächsten Schritt in Richtung Verdammnis unternommen. Er erstickte seine Großmutter mit einem Kissen, während sie schlief. Nicht einmal der Anflug eines schlechten Gewissens hatte sich bei ihm gemeldet. Er hatte keinerlei Reue empfunden – selbst dann nicht, als er ihr Erbe
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