HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
in dieser harten Welt. In Lillys Welt war das nicht nötig. Sie musste keine Entscheidungen über Leben oder Tod treffen, wie er das hatte tun müssen. Noch begehrte sie ihn, doch das würde sich rasch ändern, wenn sie einmal erfuhr, wie tief er sinken konnte. Dann würde sie vor ihm davonlaufen, als wäre der Teufel hinter ihr her. Und vielleicht war er das auch.
Deegan holte einen alten Lederkoffer unter seinem Bett hervor, der über und über mit Aufklebern übersät war. Er öffnete ihn und nahm ein in Packpapier gewickeltes Päckchen heraus. Das Baumwollhemd war nicht das einzige Stück, das er lange nicht getragen hatte. Aber diese Zugabe machte ihm wesentlich weniger Freude als der weiche Stoff des Hemds. Er würde sich jedoch besser fühlen.
Deegan wickelte die Pistole aus und überprüfte, ob sie geladen war. Dann steckte er sie ein.
„Verdammt! Schaut nur her, wen es da angeschwemmt hat!“, rief Hague Pickering, ohne jemanden direkt anzusprechen. Begeistert schlug er Deegan auf den Rücken.
Da Hague mehr Muskeln als Verstand besaß, warf er Deegan dabei fast vom Stuhl.
„Digger O’Rourke, wie er leibt und lebt!“, rief der Ganove und zog sich einen Hocker heran. „Wo hast du dich denn die ganze Zeit versteckt?“
Noch ehe Digger antworten konnte, blieb eine der Kellnerinnen neben ihm stehen und blickte ihn an. „Digger?“, fragte sie fassungslos. Sie beugte sich zu ihm herab, um zu sehen, ob sie sich auch wirklich nicht getäuscht hatte.
„Zum Teufel!“ Hague nahm ihr die zwei Bierkrüge ab, die sie auf einem Tablett balancierte. „Natürlich ist es Digger, Sally. Mit einer Visage wie der seinen kann es doch niemand anderer sein.“
„Freut mich auch, dich wiederzusehen“, sagte Deegan. „Und noch besser ist es, euch zu sehen, Mädchen.“
Da er dabei unverwandt auf ihre Brüste blickte, richtete Sally sich rasch auf und zupfte ihre Bluse zurecht. Sie warf lachend den Kopf zurück, sodass ihre Korkenzieherlocken nach hinten flogen, und stieß Deegan kokett in die Brust. „Du hast noch immer dein unverschämtes Mundwerk, Digger O’Rourke“, sagte sie und kicherte.
Sally war nur ein paar Häuserblocks weiter geboren worden – die Tochter eines Barbesitzers und seiner freizügigen Geliebten. Auch Sally war wie Hannah nie auf den Gedanken gekommen, Barbary Coast zu verlassen. Sie war stets damit zufrieden gewesen, dort zu bleiben, wo sie war.
In ihrer Anwesenheit fand Deegan es einfacher, wieder in die Rolle von Digger O’Rourke zu schlüpfen. Er kannte Sally seit seiner Kindheit, und sie war ihm so vertraut wie sein alter Hut. „Leider ist mein Mundwerk über die Jahre sogar noch unverschämter geworden, Süße“, sagte er. „Das kommt davon, wenn man seine Zunge häufig gebraucht.“
Sally lachte anzüglich. „Und wie sieht der Gebrauch deiner Zunge aus, Kleiner?“
„So wie es eine Lady besonders schätzt“, erwiderte er.
Hague verschluckte sich fast an seinem Bier.
Im Gegensatz zu Hague überraschte Sally die Antwort jedoch keineswegs. Mit einer geschmeidigen Bewegung setzte sie sich auf Deegans Schoß und strich ihm mit einem Finger über die Lippen. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass du genau weißt, was ein Mädchen will.“
Zumindest hat es auch seine angenehmen Seiten, wieder in mein altes Leben zu schlüpfen, dachte Deegan und legte einen Arm um Sallys üppige Rundungen. Als er Barbary Coast verlassen hatte, war sie noch ein blutjunges Mädchen gewesen, das sich bei seinen intimen Erkundungen des weiblichen Körpers stets als eine begeisterte Mitspielerin gezeigt hatte. Es war nicht weiter überraschend, dass ihre Begabung, Männern Vergnügen zu verschaffen, sie schließlich in eine Ginkneipe geführt hatte. Für eine Frau, die in diesem Viertel blieb, gab es außer dem Hurendasein nicht viele andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen.
„Lass ihn später dein Bett besichtigen, Sally“, drängte Hague und griff nach dem zweiten Bier. „Wo, zum Teufel, hast du also gesteckt, Digger?“
„Was glaubst du denn, wo er gewesen ist?“, fuhr die Kellnerin ihn an und streichelte dabei noch immer Deegans Gesicht. „Schau dir seine Hautfarbe an. Er hat gesessen, du Idiot.“
Was seinen Teint betraf, konnte Deegan leider nichts machen. Frisch rasiert sah er tatsächlich blass aus.
„Im Kittchen also“, sagte Hague, dem das sehr plausibel erschien. Deegan ärgerte sich fast darüber, dass er so viel Zeit damit verschwendet hatte, sich eine
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