HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
York, als meinen Vater das Goldfieber packte. Ich habe nie erfahren, wie er genug Geld zusammenbrachte, um auch für Mutter und mich Fahrkarten kaufen zu können. Er ist bestimmt nicht davor zurückgeschreckt, nicht vorhandene Aktien zu verkaufen. Aber vielleicht hat er auch nur einem Reichen seine Geldbörse abgenommen.“ Hannah lächelte. „In gewisser Weise war er O’Rourke gar nicht so unähnlich.“
„Das bezweifle ich“, sagte Deegan. „Trusty hätte bestimmt seine Frau und sein Kind zurückgelassen, anstatt sie mit in den Westen zu nehmen.“
Hannah seufzte. „Ja, da hast du vermutlich recht. Ich bin froh, dass du nicht so wie Trusty geworden bist, Digger.“
„Woher willst du das wissen?“, fragte er schuldbewusst. Er sah Trustys Spuren in so vielem, was er tat. Und wie hätte es auch anders sein sollen? Trusty war der König unter den Betrügern gewesen, und so wie es bei Digger O’Rourke der Fall gewesen war, bestand auch Deegan Galloways Leben aus einer großen Irreführung.
„Und wie ging es weiter?“, fragte er nach einer Weile.
Er konnte ihr Spiegelbild im Fenster sehen. Sie hatte den Kopf gesenkt und hielt eine Porzellantasse in der Hand, auf die sie blickte. „Es ist nicht leicht, Digger.“
„Das ist es niemals, meine Liebe.“ Er drehte sich zu ihr um. „Vielleicht ist es doch besser, wenn es unausgesprochen bleibt.“
Hannah schüttelte traurig den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Du musst wissen, wie deine Mutter zu der Frau wurde, die sie dann war. Solange du das nicht weißt, glaube ich nicht, dass du dein Leben wirklich meistern wirst.“
„Es wird nicht den geringsten Unterschied machen“, sagte er und setzte sich wieder ihr gegenüber. „Ich werde weiterhin derselbe Halunke bleiben, der ich schon immer war.“
Plötzlich stand Hannah auf. „Ja, das wirst du“, fuhr sie ihn an. „Und es hat gar nichts damit zu tun, dass deine Mutter keine Ahnung hatte, wer dein Vater war.“
Dieser Angriff seiner Freundin traf ihn tief. „Hannah!“
„Versuch jetzt nur nicht, Süßholz zu raspeln, Digger“, entgegnete sie wütend. „Ich will dich nicht länger aufhalten. Du hast bestimmt einen verdammt guten Grund gehabt, bei mir vorbeizuschauen, schließlich hast du deine Maske aus Bart und Koteletten abgenommen. Auf welche Teufelei lässt du dich diesmal ein? Und rede mir bloß nicht ein, dass du es für Miss Lilly tust.“
War es eine Teufelei? Er wollte Hague treffen und würde, wenn alles gut ging, bei Einbruch der Nacht wieder ganz der alte Digger O’Rourke sein. Die Bewohner von Barbary Coast würden annehmen, er wäre nie fort gewesen. Tat er es denn für Lilly? Oder diente sie seinem schlechten Gewissen nur als beruhigende Ausrede?
Verdammt, vor ein paar Jahren hatte er nicht einmal ein Gewissen gehabt!
„Hast du dich jemals gefragt, warum du ständig damit beschäftigt bist, Leute zu retten, Digger?“, fragte Hannah, deren Stimme nun wieder sanft klang. Sie berührte ihn an der Schulter. „Das tust du nämlich. Das hast du schon als Junge getan, und seitdem hat sich nichts geändert.“
Es war bestimmt keine Charakterstärke, sich um die Schwachen dieser Welt zu kümmern. Trusty hatte es jedenfalls nicht so verstanden. Du hast einen guten Riecher für mögliche Opfer, Junge , hatte sein Lehrer oft gesagt. Aber du musst sie ausneh men, nicht retten .
Deegan legte seine Hand auf Hannahs. „Erzähl mir deine Geschichte“, drängte er leise.
11. KAPITEL
Lilly presste die Hand gegen ihren schmerzenden Rücken und ließ sich seufzend auf einen Stuhl sinken, während ihre Schwester den Schnitt aus dem tiefblauen Seidenstoff zu Ende brachte. Sie konnte kaum glauben, wie weit sie in den wenigen Stunden, in denen sie zusammengearbeitet hatten, gekommen waren. Es überraschte sie noch immer, dass Vinia begeistert und nicht ablehnend reagiert hatte. Lilly war so sehr daran gewöhnt, von ihrer Schwester gerügt zu werden, dass sie jedes Kompliment, das sie von ihr hörte, fast schwindlig machte.
„Das wird das eleganteste Kleid im Saal sein“, verkündete Vinia und trat einen Schritt zurück, um den Haufen sorgsam ausgeschnittener Stoffstücke zu begutachten.
Es würde auf jeden Fall nicht das Kleid einer Frau sein, die am liebsten nicht auffallen wollte. Doch auch Lilly war von der Kreation so begeistert wie Vinia. Ihre Schwester war gar nicht entsetzt gewesen, als sie ihr gestanden hatte, dass sie aus dem Seidenstoff nie ein Kleid genäht hatte. Im Gegenteil
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