HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
könnte bald seinen Titel zurückgewinnen und dafür sorgen, dass Philip für seine Beteiligung an der Verschwörung gegen Lord Bartholomew Colston bestraft würde.
Als sie auf den Zinnen gewandelt waren, hatte der Marquess einige Bemerkungen gemacht, die Wolf darüber nachdenken ließen, was alles auf ihn zukäme, wenn er Windermere erst zurückerlangt hatte.
Die Burg an sich benötigte dringend Ausbesserungsarbeiten, und nach allem, was er in der Stadt erlebt hatte, lag Kathryn nicht so falsch mit ihrer Meinung über den Vogt und den Verwalter. Die Menschen waren weder wohlhabend noch zufrieden mit den Gegebenheiten. Wer konnte sagen, wie viele Gräueltaten stillschweigend über die Jahre hinweg unter Philips Herrschaft verübt worden waren?
Wolf fragte sich, ob Stephen Prest, der Kämmerer seines Vaters, ausfindig gemacht werden könnte. Wenn ja, wäre dieser Mann eine große Hilfe, alles wieder in geregelte Bahnen zu lenken und zu der Vorgehensweise seines Vaters zurückzukehren. Wolf würde einen neuen Vogt und Verwalter bestimmen müssen, und er würde nur solche Männer wählen, die auch Bartholomew angestellt hätte. Ja, es würde viel Arbeit geben, wenn er nach Windermere kam.
Er war gespannt, ob sein Großvater dann auf eine Heirat mit Annegret bestehen würde. Wolf versuchte sich davon zu überzeugen, dass es gleichgültig sei. Er brauchte eine Countess für Windermere – und Erben – und wollte sich glauben machen, dass eine Frau so gut wäre wie die andere. Aber es war ihm unmöglich, nicht an Kathryns Berührungen zu denken, an ihre weichen Lippen und ihre Seufzer, als sie in seinen Armen lag …
Bis er Kathryn getroffen hatte, war es ihm niemals in den Sinn gekommen, eine gefühlvolle Bindung zu seiner zukünftigen Frau aufzubauen. Er wusste, dass dies ein törichter Gedanke war und einen Mann verletzbar machte. Annegret kam als seine Countess sehr wohl infrage. Selbst wenn sie jetzt noch so scheu und still ihm gegenüber war, würde sie ohne Zweifel eine gute Frau sein, eine leicht zu lenkende, gehorsame Frau. Eine, die berechenbar war …
Ein leiser Seufzer riss ihn aus seinen Gedanken. Wolf wandte sich um und sah Kathryn schlafend in dem Stuhl hinter sich, die Beine angezogen, den Kopf auf den Arm gelehnt. Sie war so betörend kindlich, so reizvoll. Er wusste, dass sie böse auf ihn war, und sie hatte auch jedes Recht dazu. Obwohl sie ihn schon einige Male dazu hatte bringen wollen, mit ihr zu sprechen, hatte er jeden ihrer Versuche, ihn zu einer Aussage zu bewegen, erfolgreich abgewehrt. Er hatte ihr sogar den Namen Rupert entgegengeschleudert, obwohl er genau wusste, dass sie glaubte, ihn betrogen zu haben.
Wolf war sich im Klaren darüber, dass er sie in den letzten Tagen schlecht behandelt hatte, sah aber keine andere Möglichkeit. Er würde sie nach London bringen und König Heinrichs Schutz anvertrauen. Dann würde er sich darum kümmern, Windermere zurückzuerlangen. Wenn ihm Windermere erst einmal wieder gehörte, würde er damit beginnen, die Schäden der letzten zwanzig Jahre wiedergutzumachen. Und wenn dann die Zeit reif war, würde er Annegret oder eine andere Frau heiraten.
Kathryn rührte sich in dem Stuhl und öffnete ein wenig die Augen, schloss sie aber gleich wieder. Als sie sich plötzlich Wolfs Anwesenheit bewusst wurde, machte sie die Augen wieder auf, streckte sich und gähnte verstohlen.
„Ihr solltet im Bett sein“, bemerkte Wolf ruhig.
„Ich war noch nicht müde.“
„Das sehe ich.“
„Wenigstens sprecht Ihr zur Abwechslung einmal mit mir“, sagte sie mit beißendem Spott und einem Funkeln in den grünen Augen.
Er antwortete nicht, belustigt darüber, dass sie sich nicht im Mindesten von ihm einschüchtern ließ.
„Ihr wisst wohl, dass Ihr in diesen letzten drei Tagen nicht mehr als zwanzig Worte mit mir gewechselt habt?“
Wolf nahm ihren leeren Becher auf und roch daran. Er vermutete, dass sie mehr als genug Wein gehabt hatte.
„Es ist sehr ungerecht von Euch, mich so wenig zu beachten, Gerhart“, tadelte sie ihn. „Selbst Baron Somers hat mein Dasein stets zur Kenntnis genommen.“
Es missfiel ihm außerordentlich, mit diesem Schurken Somers verglichen zu werden, und sein Schreck spiegelte sich in seinem Gesicht wider.
„Seid Ihr böse mit mir?“, fragte sie, als sie seinen veränderten Ausdruck sah. All ihre guten Vorsätze, ihm gehörig die Leviten zu lesen, lösten sich in Luft auf. Sie hatte Angst, ihn ungewollt verletzt zu haben, und
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